Page 24 - Port of Hamburg Magazine - 03.18
P. 24

■ HINTERLAND
Turbulente Zeiten: Quo vadis Welthandel?
Dr. André Wolf, Leiter Forschungsbereiche „Weltwirtschaft, Konjunktur und internationaler Handel“ & „Energie, Klima und Umwelt“ am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut über die aktuelle Handelspolitik.
 Selten zuvor stand das Feld der Handelspolitik so sehr im Zentrum des öffentlichen Interesses wie gegenwärtig. Ursächlich ist in erster Linie die Kehrtwende, die die USA in der Gestaltung ihrer Handelsbeziehungen seit dem Amtsantritt von Prä- sident Trump vollzogen haben. Statt in alter ameri- kanischer Tradition Verlässlichkeit gegenüber Han- delspartnern zu demonstrieren und für die Vorteile des Freihandels zu werben, betrachtet die neue Ad- ministration die Handelspolitik offenkundig als wirt- schaftliche Waffe, um durch maximalen Druck Zugeständnisse im Interesse der heimischen Wirt-
ANZAHL REGIONALER FREIHANDELSABKOMMEN
ANZAHL VON 1958 BIS 2017
Quelle: WTO ( 2018) Grafik: Elbreklame
286 Abkommen bis 2017 206 Abkommen bis 2010
79 Abkommen bis 2000 1-19 Abkommen von
1958 bis 1990
schaft zu erpressen. Dabei bleibt es längst nicht mehr bei Drohungen, wie die Schutzzölle auf Stahl und Aluminium und die breite Zolloffensive gegen chinesische Produkte zeigen.
Gegenmaßnahmen, wie sie auf der anderen Seite durch China und die EU mittlerweile ergriffen wur- den, haben Befürchtungen genährt, die Weltwirt- schaft stünde vor einem neuen Handelskrieg wie zu- letzt in den Zwischenkriegsjahren, das heißt einer Spirale an wechselseitigen Zollerhöhungen, die die internationale Arbeitsteilung massiv beinträchtigen. Auch wenn die Gefahr einer solchen Spirale nicht ausgeschlossen werden kann, muss auf Basis ob- jektiver Indikatoren konstatiert werden, dass die Welt gegenwärtig noch weit von einem solchen Sze- nario entfernt ist. So erwartet die WTO in ihrer Ap- ril-Prognose für 2018 einen Anstieg von 4,4 Prozent im Volumen des globalen Warenhandels und damit eine Fortsetzung des Wachstumskurses aus dem Vorjahr. Anders als in den Jahren zuvor würde der Handel damit wieder deutlich stärker zunehmen als die globale Wirtschaftsleistung.
BESTES BEISPIEL IST DIE EU
Noch wichtiger ist aber, dass der handelspolitische Trend im Rest der Welt eindeutig in die Gegenrich- tung weist. Die Gründung regionaler Freihandels- zonen nach dem Vorbild der Europäischen Ge- meinschaft hat seit Anfang der 1990er ungebrochen Hochkonjunktur. Die Neigung der US-Administration, eigene Handelsab- kommen wie NAFTA in Frage zu stellen, hat international noch keinen gleichlautenden Widerhall gefunden. Im Gegenteil: Gerade die damit verbundene Sorge um die Zukunft ihrer Exportmärkte hat viele Länder und Staa- tenblöcke zuletzt veranlasst, ihre Bemühun- gen um neue Handelsabkommen mit alterna-
tiven Partnern zu verstärken.
Bestes Beispiel ist die EU: Seit 2017 wurden
gleich zwei umfangreiche Handelsabkommen beschlossen (mit Kanada und Japan), aktuell wer- den Verhandlungen mit den ASEAN-Staaten sowie dem Mercosur-Verbund geführt, Gespräche mit weite- ren Ländern wie Australien und Neuseeland sind in
Vorbereitung.
   24 | Port of Hamburg Magazine | September 2018
















































































   22   23   24   25   26