Potenziale und Perspektiven des Kurzstreckensee- und Binnenschiffsverkehrs im Fokus. Branchenexperten diskutieren über Status, Herausforderungen und Chancen der deutschen Wasserwege.

10.10.2014 08:50 Hinterland

Rund 250 Teilnehmer folgten der Einladung zu den ersten ShortSeaShipping Days am 7. und 8. Oktober in Lübeck. Gastgeber des Branchentreffs waren die IHK Nord, die IHK zu Lübeck und das ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center (SPC). Unter der Schirmherrschaft von Torsten Albig, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, richten die Veranstalter ihr Hauptaugenmerk auf die Zukunft der Schifffahrt und haben ein Forum geschaffen, dass Entscheider der maritimen Wirtschaft zusammenbringt. Gemeinsam widmen sie sich der Aufgabe, mehr Ladung auf die Wasserstraßen zu bringen.

Auftakt der ShortSeaShipping Days war die Vorabendveranstaltung im traditionellen Hoghehus der IHK zu Lübeck. Als Ehrengast fand Dr. Frank Nägele, Staatssekretär für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Landes Schleswig-Holstein, klare Worte zu den Perspektiven der maritimen Branche: „Die Schifffahrt muss wettbewerbsfähig bleiben. Insbesondere große Komponenten können nicht ausschließlich über die klassische Infrastruktur transportiert werden, das ist eine Chance für die Kurzstreckensee- und Binnenschiffsverkehre.“ Gleichzeitig betonte der Staatssekretär die Bedeutung einer funktionierenden Infrastruktur im Hinterland der Häfen. „Wir brauchen die Hafenhinterlandanbindungen, damit unsere Häfen weiterhin ihre Funktion als Umschlagsknotenpunkt wahrnehmen können. Die Zukunft heißt Infrastruktur. Ich verstehe das als Angebot und es gilt, mutig zu sein und zu investieren“, so Nägele. Ausdrücklich nannte er dabei auch den Elbe-Lübeck-Kanal als Hinterlandanbindung des Lübecker Hafens. Trotz der Summe der erforderlichen Infrastrukturprojekte, ruft der Staatssekretär zum Optimismus auf, denn „Deutschland ist Logistikweltmeister. Ein Titel, den wir nicht gefährden dürfen, indem wir fortgesetzt schlecht über den Logistikstandort Deutschland sprechen.“

Der Konferenztag der ShortSeaShipping Days am 8. Oktober in den Media-Docks in Lübeck gliederte sich in drei Themenblöcke. Mit der Frage, ob das Leitbild “From Road to Sea“ Vision oder praktizierte Wirklichkeit ist, setzte sich das Podium im ersten Block mit Vertretern von Reedereien, Speditionen und der verladenen Wirtschaft auseinander. Als Vertreterin der Europäischen Kommission machte Brigitte Segers, Policy Officer EU der DG Move der Europäischen Kommission, auf die Herausforderungen der Branche aufmerksam und stellte in diesem Zusammenhang die Ziele des Weißbuchs zum Verkehr vor. Neben der generellen Zielsetzung der EU, Transport und Mobilität im Einklang von Ökonomie und Ökologie weiterzuentwickeln, wird konkret angestrebt, 30 Prozent der Verkehre über 300 Kilometern bis 2030 auf Schiene oder Wasserstraße zu verlagern und bis 2050 sogar 50 Prozent.

Als wesentliche Herausforderung bestimmen die neuen Schwefelgrenzwerte und deren Einhaltung das Geschehen der Branche. In weniger als drei Monaten gelten ab dem Jahreswechsel für alle Schiffsverkehre auf der Nord- und Ostsee die neuen Schwefelgrenzwerte von 0,1 Prozent. Ein Aufschub oder die von der Branche geforderte Übergangsregelung wird nicht mehr erwartet. Die Reedereien müssen ihre Schiffe umrüsten und setzen überwiegend auf den Einsatz von Scrubber-Technologien oder Marine Gasoil (MGO). Die maritimen Experten sehen sich im Zuge der notwendigen Umrüstungen mit Kostensteigerungen konfrontiert, die sich auf die Preise gegenüber der Kunden auswirken werden. Hier ist ein hohes Maß an Transparenz gefragt. Die damit einhergehende Gefahr von Rückverlagerungen vom Schiff auf die Straße, wird stärker bei den Container- und RoRo-Verkehren erwartet und weniger im Massengutbereich. Brigitte Segers signalisiert den Reedern: „Um dem Sektor einen positiven Impuls zu geben, ist dafür gesorgt dass in den neuen TEN-T- Förderungen Schiffe als Suprastruktur angesehen werden können. Dies erleichtert für die Reedereien den Zugang zu Fördermitteln.“

Ferner gilt es, durch schlankere administrative Prozesse, die Schifffahrt noch effizienter zu machen, damit die Attraktivität des Verkehrsträgers gesichert wird. Die EU formuliert vor diesem Hintergrund mit dem „National Single Window“ das Ziel, dass ab Juni 2015 alle Formalitäten von Schiffsanläufen elektronisch abzuwickeln sind. „Die EU gibt Rückendeckung, aber zur Harmonisierung der europaweiten Systeme ist die politische Unterstützung der einzelnen Mitgliedstaaten erforderlich“, fasst Segers den bevorstehenden Weg zur Zielerreichung zusammen.

Die Leistungsfähigkeit der maritimen Wirtschaftsregion Schleswig-Holstein und des ShortSea-Hubs Lübeck im Speziellen, waren die Themen im zweiten Block. Vertreter der maritimen Wirtschaft aus dem Norden informierten praxisnah über die schleswig-holsteinische Hafenlandschaft, die Leistungsfähigkeit des Lübecker Hafens und des Shortsea-Hubs. Der Lübecker Hafen ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt mit dem größten Güterumschlag der Schleswig-Holsteinischen Häfen. Gerade die intermodalen Verkehre spielen hier eine wichtige Rolle, und der Hafen rüstet sich für weiteres Wachstum. Insgesamt repräsentieren die Schleswig-Holsteinischen Häfen mit über 50 Millionen Tonnen Ladung Deutschlands drittgrößten Hafenstandort. Durch ein neu aufgelegtes Hafenkonzept soll diese Position gesichert und ausgebaut werden. Bis zum Jahr 2025 soll das Umschlagsvolumen 70 Millionen Tonnen überschreiten.

Den Abschluss des Tages bildete der Themenblock zu Häfen, Schifffahrt und Infrastruktur und die Fragestellung, wie der schnelle, freie Weg auf das Schiff und vom Schiff gesichert werden kann. Hafenvertreter aus den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, Reeder und Verlader diskutierten über die gemeinsamen Herausforderungen, denen voran die Entscheidung zur Fahrrinnenanpassung der Unterelbe steht. So löst die Weiterreichung an den Europäischen Gerichtshof zwar Unverständnis aus, doch herrscht Einigkeit darüber, dass der Nutzen der Anpassung auch bei den verantwortlichen Gremien erkannt ist und Grund zum Optimismus noch gegeben sei.

Reinhard Klingen, Abteilungsleiter für Wasserstraßen und Schifffahrt im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, unterstrich die Notwendigkeit des bedarfsgerechten Ausbaus der Hinterlandanbindungen anhand der Güterverkehrsprognose 2030. Im Vergleich zu 2010 wird die Transportleistung im Seehafenhinterlandverkehr um rund 53 Prozent wachsen. Um diesen steigenden Gütermengen gerecht zu werden, wird vorrangig die Umsetzung der Ahrensburger Liste geprüft. Diese beinhaltet neben den Fahrrinnenanpassungen der Elbe und Weser auch Projekte im Seehafenhinterland, wie die Bahnausbaustrecken Y-Trasse, den Ausbau der Autobahnstrecken A 1, A 7 und A 14 oder den Ausbau der A 20-Küstenautobahn. „Eine gleichzeitige Realisierung aller Projekte ist nicht zu leisten. Deshalb ist eine Priorisierung der Ahrensburger Liste durch die norddeutschen Länder dringend erforderlich. Die Länder sind aufgefordert, sich aktiv zu beteiligen“, erklärt Klingen.

Eine prägnante Zusammenfassung der ersten ShortSeaShipping Days mit 23 Referenten gelang Prof. Kurt Bodewig, Bundesverkehrsminister a.D. und Europäischer Koordinator für die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T): „Die Herausforderungen sind innerhalb der Branche sehr komplex. Was sie aber alle gemein haben, ist der Bedarf einer effizienten Infrastruktur – und hier ist die Politik gefragt. Infrastrukturpolitik ist Standortpolitik. Hierfür müssen zusätzliche Finanzmittel aufgebracht werden, denn die Infrastrukturfinanzierung dient auch der Stärkung der Verbindung Wasserstraße und Schiene.“

Die Veranstalter Markus Nölke, Geschäftsführer SPC, und Rüdiger Schacht, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK zu Lübeck, zogen eine positive Bilanz: „Trotz aller Herausforderungen hat die Schifffahrt Zukunft. Wir erwarten ein starkes Güterwachstum, dabei ist der Wasserweg der optimale und umweltfreundliche Verkehrsträger, um als Alternative zu den Landtransporten die klassische Infrastruktur zu entlasten. Davon profitiert auch der Lkw. Deshalb muss die Schifffahrt nachhaltig gestärkt werden.“ In Summe ist es den ersten ShortSeaShipping Days gelungen, die Bedeutung und Potenziale der Kurzstreckensee- und Binnenschiffsverkehre in den Vordergrund einer öffentlichen Diskussion zu stellen. Eine Fortsetzung des Formats ist von den Veranstaltern geplant.

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