Indien: Verzögerungen bei Schiffsabfertigungen

29.05.2020 08:35 Wirtschaft

Peter Deubet, Repräsentant von Hafen Hamburg Marketing in der „Hamburg Repräsentanz Mumbai“, und seine Kollegin Lea Miram, Hamburg Business Managerin in Mumbai, berichten von der aktuellen Lage im Wachstumsmarkt Indien.
Wie bereits erwartet, wurde die bisherige Ausgangssperre in Indien bis zum 31. Mai 2020 verlängert. Da bereits einige Schritte hin zu einer Öffnung gemacht wurden, kann von einem „Semi-Lockdown“ gesprochen werden. Hierbei wird zwischen drei Zonen unterschieden – grün, orange und rot. 
Während in grünen und orangenen Zonen bereits Lockerungen eingeführt wurden, bleiben in roten Zonen, mit Ausnahme von „essential services“, alle weiteren Aktivitäten verboten. In dieser Phase der Regulierungen setzt Indien auf sein föderales System. In Gebieten, in denen die Infektionszahlen weiter ansteigen, sind die Bundesstaaten angehalten, strikte Ausgangssperren durchzusetzen.
Im Zuge der Lockerungen ist jedoch die Zahl der bestätigten Corona-Neuinfektionen weiter auf 138.000 Personen angestiegen (Stand 25.Mai). Aufgrund einer vergleichsweise geringen Testrate gehen viele Experten von einer hohen Dunkelziffer aus.
Während Inlandsflüge unter Auflagen wieder aufgenommen wurden, bleiben internationale Flugverbindungen weiterhin ausgesetzt. Viele Zugverbindungen und teilweise auch Busse und Taxis sind wieder nutzbar.
Der Gütertransport ist sowohl für essenzielle als auch nicht-essenzielle Waren gestattet. Auch der innerstaatliche Personenverkehr ist mit Lizenz und dem Einverständnis der jeweiligen Bundesstaaten wieder möglich.
Es ist zu erwarten, dass die Logistikkosten für den Gütertransport steigen werden. Viele Lkw-Fahrer sind mittlerweile zu den zuvor verlassenen Fahrzeugen zurückgekehrt und die Straßen füllen sich wieder mit Fahrzeugen. Geschlossene Service-Center und Werkstätten erschweren jedoch oft die dringend benötigten Reparaturen und Reifenwechsel - dies trägt ebenfalls zu Verzögerungen in den Lieferketten bei. 
Auch die Bewegung von Schiffen in indischen Häfen bleibt aufgrund der von der Regierung ergriffenen Sperr- und Quarantänemaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie weiterhin eingeschränkt. Es kommt zu erheblichen Verzögerungen bei der Abfertigung der Schiffe, da oftmals sowohl die benötigten Arbeitskräfte als auch die Lkw zum Abtransport der Güter fehlen. Viele Reedereien stornieren aus diesen Gründen ihre Anläufe. 
Um eine effiziente, möglichst kontaktlose Zollabfertigung zu gewährleisten und die Transaktionskosten zu senken, wurde bereits beschlossen, eine rein elektronische Abfertigung durch die Übermittlung einer PDF-basierten eOoC-Kopie (electronic Out of Charge) zu ermöglichen. Ursprungszertifikate können nun ebenfalls online generiert werden. 
Der Güterumschlag in den zwölf größten Häfen Indiens fiel im Zuge der Auswirkungen der Corona-Pandemie im April von 60,1 Millionen Tonnen im Vorjahr um 21,1 Prozent auf 47,4 Millionen Tonnen. Im JNPT in Mumbai ist der Containerumschlag im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent zurück gegangen.

Laut CRISIL Research wird die Anzahl der umgeschlagenen Container in indischen Häfen im laufenden Finanzjahr voraussichtlich um 16 Prozent sinken, da die krisenbedingten starken Einbrüche des Konsums und der Nachfrage erhebliche Auswirkungen auf die Lieferketten haben werden.

Daten aus staatlichen Quellen zeigen, dass Indiens Exporte im April im Vergleich zum Vorjahr um 60,3 Prozent auf 10,4 Milliarden USD zurückgingen. Die Importe fielen im gleichen Monat um 58,7 Prozent auf 17,1 Milliarden USD. 

Problematisch sind diese Entwicklungen auch im Kontext Indiens großer Importabhängigkeit von China (wertmäßig annähernd 70 Prozent). Das betrifft insbesondere die indische Gesundheitsindustrie. 

Der indische Premierminister hat kürzlich umgerechnet 245 Milliarden USD für das Konjunkturpaket Aatmanirbhar Bharat Abhiyan (eigenständiges Indien) angekündigt. Es umfasst neben weiteren Direkthilfen für arme Bevölkerungsschichten vor allem die Unterstützung von kleinsten bis mittelständischen Betrieben. Des Weiteren sollen Vorteile für Steuerzahler und Angestellte gewährt und regulatorische Erleichterungen für den Immobilien- und Bausektor ermöglicht werden.

Die Ausgangssperre hat in der indischen Wirtschaft bis zum 3. Mai 2020 Verluste in Höhe von insgesamt circa 234,4 Milliarden USD verursacht.

Peter Deubet, Repräsentant der Hafen Hamburg Marketing Repräsentanz Mumbai