Fehmarnbelt Days 2016: „Mehr als nur ein Stück Beton“ – Die Effekte der Festen Fehmarnbeltquerung auf Warenströme und die wirtschaftliche Entwicklung

26.09.2016 11:53 Wirtschaft

Experten aus Politik und Wirtschaft diskutierten im Rahmen der Fehmarnbelt Days 2016 am 21. September 2016 in der Hamburger HafenCity Universität kontrovers. Auf der Podiumsdiskussion, die Hafen Hamburg Marketing (HHM) als Partner des EU-Interreg-Ostseeprojekts TENTacle organisierte, stand besonders eine Frage im Vordergrund der Debatte: Welche Auswirkungen wird die Feste Fehmarnbeltquerung auf die intermodalen Warenströme zwischen Norddeutschland und Skandinavien haben? In einer Sache waren sich unterdessen alle einig: Der Tunnel wird kommen.
 
Unter den 120 Teilnehmern befanden sich unter anderem hochrangige Politiker und Wirtschaftsvertreter aus Deutschland, Dänemark und der EU wie Pat Cox, zuständiger EU-Koordinator des Skandinavien-Mittelmeer-Transportkorridors im Rahmen der Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V). Ihre Teilnahme an der Veranstaltung unterstreiche die hohe Bedeutung des Themas, wie Ingo Egloff, Vorstand von HHM, in seinem Grußwort festhielt. Frank Horch, Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg, begründete in seiner Keynote die hochgestufte Priorität der Festen Fehmarnbeltquerung in den Planungen des Hamburger Senats folgendermaßen: „Die Metropolregionen von Hamburg und Kopenhagen sind natürliche Partner, die ihre Stärken durch den Bau des Tunnels bündeln können. Das ist ebenso bedeutsam für die Bevölkerung, Unternehmen oder auch Universitäten in den beiden Regionen wie auch für ganz Norddeutschland und Südskandinavien.“
 
Michael Svane, CEO des Dänischen Verbands für Verkehrs- und Infrastrukturpolitik, beleuchtete das Projekt in seinem Vortrag aus dänischer Sicht. Svane, der sich selbst als großen Verfechter von Zusammenarbeit und Wettbewerb bezeichnete, betonte dabei in erster Linie die immateriellen Aspekte eines solchen Tunnels: „Das Ganze wird nicht nur ein Stück Beton sein, sondern einiges mehr an Potenzial für Firmen, für die Politik und vor allem für die Bevölkerung mit sich bringen.“ Aus seiner Sicht werde es zwar auch Verlierer, aber deutlich mehr Gewinner durch den Tunnel geben. „Die Feste Fehmarnbeltquerung wird – und das haben andere Verbindungen in Dänemark wie die Öresundbrücke nach Schweden bewiesen – ein ‚Game Changer‘ sein: Ein neuer multimodaler Transportkorridor mit verstärktem grenzüberschreitenden Handel einerseits und einer besseren Lebensqualität für die Menschen der Regionen andererseits.“
 
Intensive Bürgerbeteiligung ist der Schlüssel
Im Anschluss an die Keynotes legten die fünf Teilnehmer der Podiumsdiskussion, die von Jens Aßmann von der Handelskammer Hamburg moderiert wurde, ihre Sicht auf mögliche Auswirkungen des Tunnels dar. Schleswig-Holsteins Vize-Wirtschaftsstaatssekretär Kurt-Christoph von Knobelsdorff und Frank Limprecht, Leiter Großprojekte der Region Nord bei der DB Netz AG, erläuterten die umfangreichen Bürgerbeteiligungsprozesse zum Tunnel und zur Schienenanbindung in Deutschland, die zum Beispiel über regionale „Runde Tische“ und über das übergeordnete Dialogforum zur Festen Fehmarnbeltquerung auf freiwilliger Basis erfolgen. „Da große Bauprojekte in weiten Bevölkerungsteilen generell zunächst kritisch gesehen werden, ist diese intensive und zeitaufwändige Beteiligung eine notwendige und gut investierte Zeit“, so Limprecht. Darüber hinaus können sich betroffene Bürgerinnen und Bürger im Zuge von gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsprozessen wie den Planfeststellungsverfahren Gehör verschaffen. So werden absehbar weit über 10.000 Einwendungen im Planänderungsverfahren zum Belttunnel bei der Kieler Genehmigungsbehörde eingehen. Beide Vertreter zeigten sich dennoch zuversichtlich, spätestens 2020 mit dem Bau des Tunnels und der zugehörigen Schienenanbindung beginnen zu können. "Let’s get it done" rief von Knobelsdorff den Konferenzteilnehmern zu.
 
Welche Verschiebungen sind bei bestehenden und prognostizierten Transportströmen zu erwarten?
Prof. Dr. Sebastian Jürgens, Geschäftsführer der Lübecker Hafen-Gesellschaft und Heiko Kähler, Geschäftsführer der Fährreederei Scandlines, stehen dem Tunnelbau kritischer gegenüber. Für beide ist der Tunnel mit einer starken Veränderung ihrer geschäftlichen Rahmenbedingungen verbunden, weswegen sie von den Politikern gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen forderten. Die Infrastruktur zur Anbindung der Häfen und für intermodale Verkehre dürfe trotz des Tunnelbaus nicht vernachlässigt werden. Jürgens mahnte, dass es in der Gesamtbetrachtung der Transportströme im Modal Split der Verkehrsträger durch den Tunnel nicht zu einer Verschiebung zugunsten des Lkw kommen dürfe.
 
Jürgens ist überzeugt, auch nach Fertigstellung des Tunnels weiterhin erfolgreich wirtschaften zu können. Der Lübecker Hafen möchte sich als Logistik- und Intermodaldrehscheibe etablieren und benötigt entsprechend eine direkte Schienenanbindung an den Tunnel, die bisher in den Planungen der Deutschen Bahn noch nicht vorgesehen sei. Scandlines will hingegen das eigene Angebotsportfolio über neue Fährrouten erweitern und wird zudem weitere umweltfreundliche Hybrid-Fähren einsetzen, um den Geschäftsbetrieb auf der Route Puttgarden-Rødby fortzusetzen.
 
Michael Svane betonte am Ende erneut, dass sich in einer marktorientierten Gesellschaft nur der Wettbewerb und die Kooperation zur Bewältigung der rasant veränderten Rahmenbedingungen im Hinblick auf die neuen Energie- und Umweltanforderungen eignen. „Kunden werden immer durch gute intermodale Konzepte überzeugt – und das auch in Lübeck“, so Svane in Richtung Jürgens. Gleichzeitig stellte er Jürgens fünf neue dänische Kunden in Aussicht, die er für den Lübecker Hafen akquirieren will – ein gutes Beispiel für verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit der deutschen und dänischen Akteure. „Letztendlich geht es bei diesem Tunnel aber nicht nur um diese zwei Regionen, sondern um Zukunftsimpulse für das intermodale Verkehrswesen in der gesamten Europäischen Union“, resümierte Svane.
 
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Über das EU-Projekt TENTacle: Fehmarnbelt Pilot Case
Das EU Interreg Ostseeprogramm-Projekt TENTacle verfolgt eine positive Nutzung der Potenziale, die sich aus der Anbindung unterschiedlicher Regionen an die neuen Strukturen des europäischen Transportnetzes ergeben. Die geplante Fehmarnbeltquerung ist dabei im Fokus von einem der sieben Pilotbeispiele des Projekts. Hafen Hamburg Marketing e.V. (HHM) ist Leiter dieses Fehmarnbelt-Pilotbeispiels. Weitere Informationen zum Projekt TENTacle und dem Fehmarnbelt-Pilotbeispiel sind auf der Webseite www.tentacle.eu zu finden. Ansprechpartnerin bei HHM ist Katja Höltkemeier (hoeltkemeier@hafen-hamburg.de, Tel: 040 37709 115).
 

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