Binnenschifffahrt in Nord-, Nord-/Ostdeutschland: Herausforderungen und Perspektiven

27.08.2021 07:57 Hinterland

Die Binnenschifffahrt spielt für die Wirtschaft in den Bundesländern entlang des Nord-/Nord-Ostdeutschen Wasserstraßengebietes und damit auch für den Hinterlandverkehr des Hamburger Hafens eine bedeutende Rolle. Um die Chancen des umweltfreundlichen Verkehrsträgers zu erkennen und Potenziale auszuschöpfen, hat Hafen Hamburg Marketing (HHM) gemeinsam mit dem Bündnis Elbe-Seitenkanal (BESK) und der Elbe Allianz (EA) eine Studie zur Ermittlung des Systemcharakters des nord- und nordostdeutschen Binnenwasserstraßennetzes in Auftrag gegeben. Im Rahmen einer live übertragenen Online-Pressekonferenz wurden gestern die Ergebnisse der Marktanalysen diskutiert und Handlungsempfehlungen aufgestellt.

„Die Bedeutung der Binnenhäfen und der Binnenschifffahrt wird kaum oder zu wenig wahrgenommen und muss deutlicher herausgestellt werden,“ appelliert Gunnar Platz, Planco. „Dabei muss deutlich gemacht werden, dass es für die regionale Wirtschaft in den meisten Fällen keine Alternative zu den Binnenschiffsverkehren gibt. Ein Ausfall der Binnenschifffahrt würde zu Versorgungsengpässen und Arbeitsplatzverlusten in der Region führen,“ betont Platz. Für den Hafen Lüneburg wurde zum Beispiel ermittelt, dass 4.600 Arbeitsplätze direkt und indirekt vom Hafen abhängen. Im Jahr 2020 wurden in Lüneburg rund 340.000 Tonnen umgeschlagen, was 13 Beschäftigten pro 1.000 Tonnen Umschlag entspricht. Zudem könnten die 14,4 Millionen Tonnen Güter, die derzeit per Binnenschiff im Seehafenhinterlandverkehr transportiert werden, gar nicht über andere Verkehrsträger aufgefangen werden. Diese Zahlen unterstreichen die Wichtigkeit der Wasserstraßen und verdeutlichen vor allem, dass Investitionen in Instandhaltung und Ausbau der Wasserwege für die Region unabdingbar sind.

Um den Transport per Binnenschiff in der Region sicherzustellen, müssen in den nächsten Jahren zahlreiche Instandsetzungsmaßnahmen an der Infrastruktur durchgeführt werden. Bottlenecks, wie zum Beispiel das Schiffshebewerk Scharnebeck oder Fehlstellen der Elbe, werden bereits erneuert bzw. mit der Umsetzung des Gesamtkonzepts Elbe (GKE) beseitigt, um die Kapazität und damit die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Binnenschiffsverkehrs in Zukunft zu erhöhen „Die Studie zeigt eindrucksvoll, welches Potenzial die Binnenschifffahrt in Norddeutschland hat. Allerdings müssen wir massiv in die Infrastruktur investieren und unsere Bauwerke sanieren oder neu bauen, um diese Potentiale nachhaltig zu heben,“ bestätigt Tobias Siewert, BESK. „Mit der neuen Schleuse Lüneburg können wir eine spürbare Verlagerung in Richtung Wasserstraße anstoßen.“

Besonders im Massengutbereich sind diese Verlagerungspotenziale sichtbar. In den Großraum Magdeburg/Braunschweig werden beispielsweise rund 6 Millionen Tonnen Eisenerz und 2,1 Millionen Tonnen Kohle via Hamburg per Bahn importiert. Auch im Containerverkehr sieht Stefan Kunze, HHM, großes Potenzial: Im Großraum Braunschweig/Wolfsburg werden im Jahr rund 55.000 TEU per LKW transportiert, im Raum Magdeburg weitere 50.000 TEU. „Teile dieser Mengen könnte die Binnenschifffahrt problemlos abschöpfen,“ erklärt er. Zudem sichere das GKE in Zukunft die Möglichkeit dreilagiger Containerverkehre bis Riesa, den Anschluss von Häfen wie Wittenberge und die Zurückgewinnung von Marktanteilen in Verkehren oberhalb Magdeburgs. Diese Verlagerungspotenziale sind besonders relevant im Hinblick auf die Klimaziele der Europäischen Union und Deutschlands.

Das Binnenschiff ist der bei Weitem umweltfreundlichste Verkehrsträger. Daher könne beispielsweise die Reduktion der Luftschadstoffe als Investitionsanreiz herausgestellt werden, erklärt Platz. „Die Digitalisierung in der Binnenschifffahrt sollte ebenfalls konsequent vorangetrieben werden.“, sagt Platz. Auf diese Weise könne auch eine bessere Routenplanung umgesetzt und eine exaktere Ankunftszeit (ETA) ermittelt werden. Auch Informationsketten zwischen See- und Binnenhäfen könnten so optimiert werden. Dies wiederum würde die Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschifffahrt in der Region gegenüber anderen Verkehrsträgern stärken.

Die Binnenhäfen in der Region sichern Beschäftigung und Wertschöpfung, der Transport über die Wasserstraße ist umweltfreundlich und wirtschaftlich. Das hat die gemeinsame Studie gezeigt. Nun kommt es darauf an, den erkannten Herausforderungen entgegenzutreten und Potenziale zu heben. „Dafür müssen diese sichtbar gemacht werden, Anreize für Investitionen geschaffen und Rahmenbedingungen verbessert werden,“ fasst Sebastian Poser, EA, zusammen. „Wir müssen die Binnenschifffahrt sowohl im Markt als auch in der Politik auf den Zettel setzen.“ Die Projektpartner sind fest entschlossen, die Binnenschifffahrt in der Region mit Hilfe dieser Erkenntnisse zu fördern und fit für die Zukunft zu machen. „Von einem Mehr an Binnenschifffahrt profitieren in der Region sowohl die Häfen als auch die verladende Wirtschaft,“ bringt es Tobias Siewert auf den Punkt.

Die gesamte Studie können Sie ab dem 6.9.2021 von unserer Webseite herunterladen. Mehr Details zur Binnenschifffahrt sowie die Aufzeichnung unserer Veranstaltung und die Präsentationscharts finden Sie hier.

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