Wo der Wind weht
Die Liegeplätze 8 und 9 sind für Schwerlast ausgelegt. 3.500 Großkomponenten für die Onshore- Windindustrie kommen jährlich in Cuxhaven an.
© Kevin Lammers/Elbreklame

Wo der Wind weht

Mit dem Deutschen Offshore-Industrie-Zentrum positioniert sich Cuxhaven als führender Standort für Windenergie in Deutschland.

Autorin: Nicole de Jong

Bis zum Jahr 2030 sollen mindestens 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, lautet das Ziel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Bis 2045 will Deutschland sogar klimaneutral sein und mindestens 70 Gigawatt aus Wind auf See generieren.

Vorreiter für die Energiewende in Deutschland ist Niedersachsen. Ein elementarer Baustein dabei ist das Deutsche Offshore-Industrie-Zentrum (DOIZ) in Cuxhaven, dem nördlichsten Punkt Niedersachsens. Das „Portal zum grünen Kraftwerk Nordsee“ spielt eine zentrale Rolle in der deutschen Offshore-Windindustrie. Es trägt wesentlich zur Energiewende bei, indem es Produktion, Logistik, Verschiffung sowie Service und Wartung (O&M) von Offshore-Windkraftanlagen an einem Standort bündelt. Das DOIZ liegt direkt an der Nordseeküste und hat sich zu einem bedeutenden Standort für den Bau, die Wartung und den Betrieb von Offshore-Windparks entwickelt.

So stellt beispielsweise Siemens Gamesa Renewable Energy (RE) Windturbinen für die Offshore-Installation her – in drei Fertigungslinien werden Naben, die die Rotorblätter drehen und steuern, Generatoren und Maschinenhaus endmontiert und miteinander „verheiratet“. Siemens Gamesa ist 2018 in Cuxhaven gestartet und hat zunächst Maschinenhäuser für sieben Megawatt (MW)- Offshore-Windkraftanlagen erstellt. Inzwischen produziert das Unternehmen hier die nächste Generation mit 14 MW, die in der Lage ist, bis zu 15.000 Haushalte mit Strom zu versorgen.

Das dänische Unternehmen Nordmark hat sich ebenfalls 2018 in Cuxhaven angesiedelt und baut dort Rotornaben, Maschinenträger und Lagergehäuse für Windkraftanlagen. Es agiert als Zulieferer von Siemens Gamesa. Entec Industrial Services – ebenfalls im DOIZ – ist ein branchenübergreifender Spezialist für Logistikdienstleistungen, Lager- und Umschlaglösungen sowie für Umwelt- und Anlagenservices, wie aber auch O&M. Auch das Cuxhavener Traditionsunternehmen Otto Wulf mit hundertjähriger Firmengeschichte ist im DOIZ engagiert.

Das familiengeführte Unternehmen hat sich auf Schlepperdienste, Bergungsarbeiten, Seetransporte, Schwimmkraneinsätze und den Transportservice für Offshoretechnik spezialisiert. „Wir sind von Anfang an als Transport- und Logistikpartner der Windindustrie dabei und profitieren vom DOIZ“, sagt Sören Wulf, der das Unternehmen in vierter Generation leitet. Die Wulf-Pontons und Schlepper transportieren Teile für On- oder Offshore-Anlagen. Schwer und groß gehört zum Arbeitsalltag des Unternehmens: So transportierte es zwischen Mai und Dezember 2019 Teile für die neue Kattwykbrücke aus Hannover und Cuxhaven nach Hamburg und erledigte die Montage mit seinen Schwimmkränen.

 

Wo der Wind weht
Treiben die Geschäfte mit dem Wind voran (v.l.): Marc Itgen, HWG Cuxhaven; Sören Wulf, Otto Wulf GmbH & Co. KG; Uwe Santjer, Oberbürgermeister Cuxhaven; Arne Ehlers, Blue Water BREB GmbH.
© Nicole de Jong

Und demnächst wird die Titan Wind Energy (Germany) im DOIZ sogenannte Monopiles produzieren, eine spezifische Art von Fundamenten, die in der Windkraftindustrie für Offshore-Windkraftanlagen verwendet werden. Sie bestehen aus einem einzigen großen Stahlrohrpfahl mit einem Durchmesser von bis zu 14 Metern, einer Länge von 140 Metern und einem Gewicht von bis zu 3.500 Tonnen. Monopiles werden vertikal in den Meeresboden gerammt und dienen dazu, die Windturbinen stabil zu verankern, um den Belastungen durch Wind, Wellen und Strömungen standzuhalten. Die Produktion am Standort Cuxhaven soll 2026 anlaufen.

Wo der Wind weht
Mit einer Fläche von 450 Hektar gilt das Deutsche Offshore-Industrie- Zentrum in Cuxhaven als größter Umschlagplatz für Windenergie.
© Agentur für Wirtschaftsförderung Cuxhaven

„Das heißt, die größten und teuersten Teile für Offshore- Windkraftanlagen werden in Cuxhaven produziert“, sagt Kapitän Arne Ehlers, Geschäftsführer der Blue Water BREB, die auf den Umschlag von Windkraftkomponenten und Projektladung spezialisiert und ebenfalls direkt im DOIZ angesiedelt ist. „Außerdem ist Cuxhaven Deutschlands größter und sogar der weltweit größte Onshore-Importhafen“, fügt er hinzu und betont: „Wir machen die Energiewende.“

Cuxhaven habe gemeinsam mit dem Land Niedersachsen zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen getroffen sowie die richtigen Unternehmen angesiedelt, die den Wandel zum Zentrum der Energiewende mitgestalten können. Die Zahlen von Blue Water BREB sprechen für sich: Die Mitarbeiter löschen oder laden 3.500 Großkomponenten wie Turmsektoren, Rotorblätter und Getriebehäuser verschiedener Hersteller von den mehr als 200 Schiffen, die das Terminal im DOIZ jährlich anlaufen.

 

"Das Deutsche Offshore-
Industrie-Zentrum (DOIZ)
spielt eine zentrale Rolle
in der deutschen
Offshore-Windindustrie."

Als wichtiger Partner für die Windkraftindustrie, insbesondere für den wachsenden Markt der Offshore- Windenergie, hat sich Rhenus Cuxport positioniert. Der seit 1997 im Hafen ansässige Terminalbetreiber kann im DOIZ große und schwere Komponenten wie Rotorblätter für Windenergieanlagen umschlagen. Das Cuxport-Areal eignet sich besonders als Ausgangshafen für die Installation der projektierten Windparks. „Wir sind auf dem richtigen Weg, den wir vor nahezu 25 Jahren in Cuxhaven eingeschlagen haben“, sagt Marc Itgen, Vorstandsmitglied der Hafenwirtschaftsgemeinschaft (HWG) und Head of Projects bei Ingenion, das im Unternehmensverbund von Karlsson ein modernes Multifunktionsterminal für den Offshore- Einsatz anbietet. Ingenion treibt die Produktion, Speicherung und Nutzung von grünem Wasserstoff in der maritimen und Hafenwirtschaft weiter massiv voran und stellt diesen bereits in einem Anwendungsfall zur Verfügung.

Schon früh war den Entscheidern in Cuxhaven klar, dass sich der ehemalige Fischereihafen-Standort neu positionieren muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben und um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Seit 2006 haben das Land Niedersachsen, die Europäische Union und die Cuxhavener Hafen Entwicklungsgesellschaft mehr als 250 Millionen Euro in die Infra- und Suprastruktur des Hafens investiert – weitere mehrere Hundert Millionen Euro schwere Investitionen stehen an. Der 2013 eingeführte Offshore- Netzentwicklungsplan (O-NEP) als Teil der deutschen Energiewende gilt als Initialzündung für die Neuausrichtung und weitere Bestätigung für die Gründung des DOIZ.

Das bisherige Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit insgesamt 369.000 Quadratmeter Terminalfläche und einer dem Hafen vorgelagerten 100.000 Quadratmeter Multipurpose- und Autoterminalfläche hat sich Cuxhaven als wichtiger Partner für europäische Shortsea- Verkehre etabliert. 2018 wurde der Hafen um Liegeplatz 4 erweitert sowie die Möglichkeit geschaffen, dort schwere Komponenten für die Windkraftindustrie zu lagern und umzuschlagen. Mit seinen Jack-Up-Liegeplätzen, also speziellen Anlegestellen für Installationsschiffe mit auf den Meeresboden absenkbaren hydraulisch betriebenen „Beinen“, eignet sich dieses Areal besonders als Ausgangshafen für die Installation der projektierten Windparks.

Die Liegeplätze 8 und 9 verfügen über hohe Schwerlastkrankapazitäten und eine RoRo-Schwerlastrampe. Und ein Ende ist längst nicht in Sicht, denn voraussichtlich Ende des Jahres geht’s auch mit dem Ausbau der Liegeplätze 5 bis 7 los – die Finanzierung von 300 Millionen Euro steht. Damit wird die Lücke geschlossen und die Kaikante der durchgehend für Schwerlast geeigneten Flächen um 1,2 Kilometer verlängert und somit insgesamt 3,6 Kilometer lang. Weitere Flächen werden für die Windenergie vorbereitet. Die Stadt Cuxhaven läuft durch das DOIZ in Die Stadt Cuxhaven läuft durch das DOIZ in eine historische Zeit, konstatieren die Beteiligten unisono. „Niemals in der Geschichte der Stadt Cuxhaven konnten wir damit rechnen, dass wir in einem Zeitraum von fünf bis sieben Jahren so viele Investitionen lostreten, wie wir das gerade tun und in Zukunft tun werden“, sagt Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer. „Wir erfinden die Stadt durch das DOIZ neu und sind glücklich darüber, ein Teil der Energiewende in Deutschland zu sein“, fügt er hinzu. Die Wirtschaft habe Interesse zu investieren, Cuxhaven verzeichne wieder mehr Geburten, die Stadt werde jünger. „Familien finden hier ihre Zukunft. Alles, was wir jetzt erleben, ist sehr mutmachend“, betont er. Die Erfolgsgeschichte zeige, dass gemeinsames Handeln von Politik, Wirtschaft und lokaler Gemeinschaft zu einer nachhaltigeren und umweltfreundlichen Zukunft führen kann.

Das DOIZ in Zahlen und Fakten

Das Deutsche Offshore-Industrie-Zentrum (DOIZ), auf einer rund 450 Hektar großen Fläche in Cuxhaven, gilt als größter Umschlagplatz für Windenergie. Jährlich laufen mehr als 200 Schiffe mit 4.500 Großkomponenten das Terminal an. Am Liegeplatz 4 mit 290 Meter Länge können auf einer Fläche von 8,5 Hektar schwere Komponenten für die Windkraftindustrie gelagert und umgeschlagen werden.

Die Liegeplätze 8 und 9 verfügen über eine Kajenlänge von zusammen 1.340 Meter und Wassertiefen von bis zu 11,6 Meter sowie Schwerlastkrankapazitäten und eine RoRo-Schwerlastrampe mit bis zu 5.000, rechnerisch sogar 7.000 Tonnen Traglast.

Der Ausbau der Liegeplätze 5 bis 7 mit einer Kajenlänge von 1.250 Meter Länge startet Ende 2024 und schafft zusätzliche Flächen von 35 Hektar für die erneuerbare Energiewirtschaft. Mit Fertigstellung wird die Kaikante der durchgehend für Schwerlast geeigneten Flächen 3,6 Kilometer lang.

Geplant ist weiterhin, eine Schwerlastbrücke mit Traglast von bis 5.000 Tonnen zu bauen, die die Liegeplätze im Hafen mit den Erweiterungsflächen in Richtung Süden verbindet sowie den Hafen an die Bundesstraße 73 und Autobahn 27 anbinden soll. Das sind die Partner des DOIZ: Hafenwirtschaftsgemeinschaft (HWG) Cuxhaven, Agentur für Wirtschaftsförderung, PNE Wind AG, Blue Water BREB, Niedersachsen Ports, Siemens Gamesa Renewable Energy, die Cuxhavener Hafen-Entwicklungsgesellschaft (CuxHafEn), Nordmark, Titan Wind Energy, Rhenus Cuxport, Offshore Safety-Trainingscenter, Turneo, Entec, Otto Wulf. Diese Windenergieprojekte wurde von Cuxhaven aus realisiert oder bei der Errichtung aus Cuxhaven unterstützt: Bard Offshore 1, Alpha Ventus, E.On Amrumbank West, OWF Formosa 1, OWF Yunlin, OWF Beatrice, Janett-Xoke, Nordsee Ost, Meerwind Süd/Ost, Dank Tysk, Sandbank, Butendiek.

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