Wo der Wind weht
Mit dem Deutschen Offshore-Industrie-Zentrum positioniert sich Cuxhaven als führender Standort für Windenergie in Deutschland. ...
Autor: Ralf Johanning
POHM: Im Juli war es endlich so weit – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck übergab die Fördermittelbescheide für gleich zwei Wasser-stoffprojekte. Mit dabei die Fördermittel für das Projekt Hamburg Green Hydrogen Hub (HGHH). Wie wichtig ist das für Sie?
Christian Heine: Extrem wichtig. Die Fördermittel sind sogar entscheidend, um das Projekt überhaupt umsetzen zu können – so ehrlich muss man sein. Viele andere Technologien wie Photovoltaik und Windkraft haben zu Beginn Fördermittel erhalten, um wettbewerbsfähig zu werden. Bei der Produktion von grünem Wasserstoff sprechen wir ebenfalls von Technologien, die bezüglich ihrer möglichen Rolle im Energiemix erst am Anfang stehen. Die lokale Produktion und die Verteilung von grünem Wasserstoff werden in Deutschland nur den Durchbruch schaffen, wenn wir den Anfang mit Fördermitteln unterstützen. Insofern sind wir erleichtert, dass nicht nur unser Konsortium mit unserem Partner Luxcara die Fördermittel bekommen hat, sondern auch das Projekt HH-WIN von unserem städtischen Schwesterunternehmen Gasnetz Hamburg. Einem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Hamburg steht jetzt nichts mehr im Weg.
Besonders gefreut haben wir uns übrigens, dass Robert Habeck uns den Förderbescheid noch einmal persönlich überreicht hat. Mitte August hat der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz den Standort Moorburg besichtigt und sich selbst ein Bild gemacht von dem fortschreitenden Rückbau, der Flächenvorbereitung für den Hamburg Green Hydrogen Hub sowie der Wasserstoff-Netzanbindung.
Sie sprechen es an: Im Mittelpunkt des HGHH steht das ehemalige Kohlekraftwerk Moorburg. Hier soll ein Elektrolyseur entstehen. Wie weit sind die Arbeiten bereits fortgeschritten?
Wichtig ist, dass zunächst das Baufeld für den späteren Elektrolyseur frei gemacht wird. Die Rückbauarbeiten am ehemaligen Kohlekraftwerk Moorburg haben bereits vor einigen Monaten begonnen und machen gute Fortschritte. Wir gehen davon aus, dass wir Mitte nächsten Jahres alle notwendigen Flächen frei gemacht haben, um dann mit dem Bau der Elektrolyseanlage zu starten.
Kann denn von der bestehenden Infrastruktur etwas weiterhin genutzt werden?
Mehrere Komponenten des ehemaligen Kohlekraftwerks können weiter genutzt werden. Das macht dieses Projekt insgesamt besonders nachhaltig und ist auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Zu den Komponenten zählen unter anderem die Anlagen für die Wasseraufbereitung sowie das Werkstatt- und Lagergebäude. Der bereits vorhandene Anschluss an das Höchstspannungsnetz wird umgebaut und versetzt.
Was steht als Nächstes an?
Der nächste Schritt im Projekt ist nun die Bestellung des Elektrolyseurs. Die Ausschreibung ist bereits erfolgt und wir sind zuversichtlich, dass wir bereits in wenigen Wochen den erfolgreichen Bieter bekannt geben und die Bestellung auf den Weg bringen können.
In der ersten Ausbaustufe wollen Sie 100 Megawatt erreichen. Wann wird es so weit sein?
Auch wenn wir Komponenten weiter nutzen können, braucht die Errichtung eines Elektrolyseurs Zeit. Wir rechnen damit, dass wir vorrausichtlich 2027 den kommerziellen Betrieb aufnehmen werden.
Zur Einordnung: Was bedeutet eine Produktion von 100 Megawatt? Für wie viele Unternehmen könnte das ausreichend sein?
Wir gehen davon aus, dass Hamburg künftig bis zu drei Milliarden Kubikmeter Wasserstoff im Jahr braucht, um in Industrie und Gewerbe alle fossilen Energien zu ersetzen. Mit 100 Megawatt Elektrolyseleistung können wir in Moorburg rund 10.000 Tonnen grünen Wasserstoff erzeugen, was umgerechnet ungefähr 110 Millionen Kubikmeter entspricht. Wichtig ist an dieser Stelle, dass die 100 Megawatt ein Startpunkt sind. Wir gehen davon aus, dass am Standort Moorburg perspektivisch bis zu 800 Megawatt Elektrolyseleistung errichtet werden können.
Gibt es denn bereits Interessenten für den Wasserstoff?
Auf jeden Fall. Wir streben mit dem Konsortium ein Portfolio von Wasserstoffverbrauchern aus verschiedenen Industriezweigen an und stehen mit vielen dieser Unternehmen bereits in Verhandlungen. Für eine Reihe von Industrieunternehmen kommt nur Wasserstoff infrage, um erfolgreich dekarbonisieren zu können. Insofern machen wir uns keine Sorgen, dass es auf der Abnahmeseite Schwierigkeiten geben könnte.
Was waren im Rückblick die größten Hürden?
Die größte Hürde war sicherlich das langwierige Verfahren mit der Europäischen Union. Wir haben sehnlichst erwartet, dass dieses Verfahren Fortschritte macht. Wie viele andere Elektrolyseprojekte in Deutschland mussten wir in den vergangenen Jahren viel Geduld aufbringen. Auf der Zielgeraden hat uns zudem Sorge gemacht, dass aufgrund der Einsparmaßnahmen im Bundeshaushalt gegebenenfalls keine Fördermittel des Bundes bereitgestellt werden können. Umso glücklicher sind wir, dass unser Projekt in Hamburg nun umgesetzt werden kann.
Das ehemalige Konsortium aus Mitsubshi Industries, Shell, Vattenfall und den Hamburger Energiewerken hat sich aufgelöst. Mit Luxcara haben Sie jetzt einen neuen Partner an Ihrer Seite. Wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen?
Luxcara ist seit dem vergangenen Jahr mit 74,9 Prozent Mehrheitsanteilseigner im Konsortium und hat die Anteile von Shell und Mitsubishi Heavy Industries übernommen. Mit Luxcara ist ein Unternehmen eingestiegen, das über ausgewiesene Expertise mit komplexen nachhaltigen Energie-Infrastruktur-Projekten verfügt. Die Zusammenarbeit mit Luxcara ist unkompliziert und auf schnelle Entscheidungen ausgerichtet. Das hilft, um im Projekt schnelle Fortschritte zu erzielen. Es gab seinerzeit mehrere Interessenten für die Anteile von Shell und Mitsubishi. Rückblickend hat sich jedoch gezeigt, dass die „Hamburger Lösung“, also die Entscheidung für Luxcara, genau richtig war.
Steht schon fest, woher Sie den Strom für die Produktion beziehen werden?
Grüner Wasserstoff muss regulatorisch aus erneuerbarem Strom erzeugt werden. Nur so kann die Elektrolyse CO₂-frei erfolgen und der entstandene grüne Wasserstoff nachhaltig zur Dekarbonisierung der Industrie verwendet werden. Darum war auch Luxcara als Partner für dieses Konsortium so prädestiniert. Luxcara verfügt über ein umfangreiches Grünstrom-Portfolio und darüber hinaus über umfangreiche Erfahrungen und einen für sich sprechenden Track-Rekord im Bereich langfristiger Stromabnahmeverträge, sogenannter Power- Purchase- Agreements.
Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie der Wasserstoff zu den Kunden gelangt.
Für den Transport des Wasserstoffs wird ein eigenes Wasserstoff-Transportnetz für Hamburg errichtet. Geplant ist dafür ein Leitungsnetz mit zunächst 40 Kilometern Länge. Das startet am Standort Moorburg und wird bis zu den späteren Kunden im Hamburger Hafengebiet ausgebaut. Nach Errichtung dieses Startnetzes ist ein weiterer Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur geplant, bei dem in Teilen auch bestehende Erdgasleitungen für den Transport von Wasserstoff umgerüstet werden sollen.
Wer zeichnet dafür verantwortlich?
Den Aufbau des Wasserstofftransportnetzes übernimmt die Gasnetz Hamburg, die mit ihrem Infrastrukturprojekt HH-WIN ebenfalls erfolgreich war und IPCEI-Fördermittel erhält.
Gasnetz Hamburg ist ebenfalls ein städtisches Unternehmen. Auf welchen Ebenen arbeiten Sie im Bereich der Wasserstoffproduktion zusammen?
Gasnetz Hamburg ist als Netzbetreiber an der Produktion des Wasserstoffs nicht beteiligt, nimmt aber die wichtige Aufgabe wahr, den erzeugten Wasserstoff zu den Abnehmern zu bringen. Der Aufbau dieser Verteilnetzinfrastruktur ist die Kompetenz der Gasnetz Hamburg und wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.
Um die Dekarbonisierung des Hamburger Hafens weiter voranzutreiben, haben Sie ein Joint Venture mit der Hamburg Port Authority (HPA) gegründet. Welche Aufgaben wird die neue Gesellschaft Erneuerbare Hafenenergie Hamburg GmbH haben?
Bei der Erneuerbare Hafen Energie Hamburg GmbH wird es vor allem darum gehen, Windkraft- und Photovoltaikanlagen im Hamburger Hafengebiet auszubauen und regenerative Energielösungen zu entwickeln. Wir erhoffen uns aus dem Joint Venture den bestmöglichen klimapolitischen Nutzen für die Stadt Hamburg, indem die HPA die dafür erforderlichen Flächen einbringt und wir unsere Expertise in der Errichtung und Projektierung von Anlagen zur Produktion von Erneuerbaren Energien.
Was ist das Ziel der gemeinsamen Gesellschaft?
Mit dem Joint Venture wollen wir die Dekarbonisierung des Hamburger Hafens vorantreiben. Mittelfristig soll ein großer Teil des Strombedarfs der Hafenwirtschaft, der HPA und der Hafenunternehmen aus Erneuerbaren Energien wie Windkraft und Freiflächen-PV-Anlagen kommen. Wir freuen uns sehr, zusammen mit der HPA den Ausbau dafür in Hamburg voranzutreiben.
Welche Kompetenzen bringen die Hamburger Energiewerke dabei ein?
Wir betreiben in Hamburg bereits heute 22 Windkraftanlagen sowie 37 Photovoltaikanlagen und verfügen über langjährige Expertise bei Planung, Errichtung und Betrieb dieser Anlagen. Diese Kompetenzen bringen wir ein und unterstützen die HPA und Hamburg so auf dem Weg zu einem klimaneutralen Hafenbetrieb.
Wie sehen hier die nächsten Schritte aus?
Die möglichen Flächen für die Errichtung von Anlagen zur Produktion von Erneuerbaren Energien sind bereits identifiziert. Als Nächstes folgt die detaillierte Prüfung der einzelnen Standorte hinsichtlich der tatsächlichen Genehmigungsfähigkeit.
Ein kleiner Blick in die Zukunft. Wann schätzen Sie wird Hamburg ausschließlich mit nachhaltigem Strom versorgt werden können?
Bei der Stromversorgung Hamburgs müssen wir über die Grenzen unseres Bundeslands hinausschauen. Wir waren auch in den vergangenen Jahrzehnten nie so aufgestellt, dass wir uns selbst versorgen konnten. Insofern ist diese Frage nur im größeren geographischen Zusammenhang zu beantworten. Wir haben heute bundesweit bereits mehr als 50 Prozent Erneuerbare Energien im Strommix und aktuell auch Rekordzahlen bei der Genehmigung neuer PV- und Windkraftanlagen. Das stimmt mich optimistisch, dass wir das Ziel der klimaneutralen Stromerzeugung auch in den kommenden zwei Jahrzehnten erreichen werden.