Seehafen-Anschluss an die Alb-Donau-Region
Denkinger will so viel an den Schienen gelegene Fläche erschließen wie möglich, um direkt zwischen Bahn und Lkw umzuschlagen.
© Denkinger

Seehafen-Anschluss an die Alb-Donau-Region

Mittelständische Spedition Denkinger baut Rail Cargo Terminal in Rottenacker auf

Die mittelständische Spedition Denkinger entwickelt innerhalb kürzester Zeit ein Rail Cargo Terminal in Rottenacker (Alb-Donau-Region). Dabei entstehen Logistikflächen von insgesamt 60.000 Quadratmetern. „Die neue bimodale Anlage ist ein Baustein in unserer Strategie, das Hinterland im Süden mit dem Norden Deutschlands mit eigenen Flächen und Gleisanschlüssen zu verbinden“, ordnet Denkinger-Geschäftsführer Simon Brunner die Rolle des Neubaus ein. Als der Wirtschaftsingenieur 2021 mit dem Aufbau des Standortes begann, blickte er auf eine brachliegende Industriefläche mit 1,5 Kilometer stillgelegtem Gleisanschluss. Das Tempo, mit dem die Inbetriebnahme gelang, hat ihn positiv überrascht: „Heute – nur 18 Monate später – werden wir fünfmal pro Woche von der Deutschen Bahn angefahren und haben täglich fünf bis zwölf Waggons in der Abfertigung.“ Zwei installierte Kranbahnen mit vier Kränen übernehmen auf den Außenflächen den Umschlag zwischen Lkw und Bahn. Und dabei ist dies nur die erste von insgesamt drei Ausbaustufen.

„Es entstehen
Logistikflächen

von insgesamt
60.000 Quadratmetern."

Ausbau Schritt für Schritt

Die zweite Etappe ist bereits gut sichtbar. Eine elf Meter hohe Halle zieht den Blick auf sich. Auf dem Vorplatz stapeln sich 100 Tonnen heimisches Lärchenholz. Mit diesem wird die Fassade verkleidet, bis auf eine Seite. An dieser wird eine Photovoltaik (PV)-Anlage installiert, die gemeinsam mit den PV-Platten auf dem Dach eine Peakleistung von einem Megawatt erzielt. Für ein lichtdurchflutetes Inneres sorgt das verbaute Glas zwischen den PV-Modulen an der Fassade. Etwa 150 Meter Gleis führen durch die Halle hindurch, auf dem künftig bis zu zehn Waggons überdacht per Kranbahn und Stapler abgefertigt werden können. Brunner rechnet mit der Fertigstellung im November 2023. Von da an kann empfindliches Schwergut vor Wind und Wetter geschützt in die Halle einziehen.

Aufbau eines Leercontainerdepots

An die Halle wird sich der dritte Bauabschnitt anschließen. Dort entstehen weitere Umschlag- und Lagerflächen unmittelbar am Gleis – universell geeignet für Schwerlasten, Rohprodukte, Stahl sowie Betonfertigteile und Container. „Unser Ziel ist es, so viel an den Schienen gelegene Fläche zu erschließen wie möglich, da wir direkt zwischen Bahn und Lkw umschlagen“, sagt Brunner. Für die nötige Agilität werden final insgesamt sieben Kranbahnen zur Verfügung stehen, ergänzt durch Stapler bis 16 Tonnen sowie Reachstacker. Mit Blick auf die Seehäfen kann sich Brunner auch die Unterhaltung eines Leercontainerdepots in Rottenacker vorstellen: „Wir erfüllen alle Voraussetzungen, verfügen über das Umschlagequipment und haben das Containerhandling schon seit Langem in unserem Portfolio.“

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Etwa 150 Meter Gleis soll durch die Halle führen. Auf diesem können künftig bis zu zehn Waggons überdacht per Kranbahn und Stapler abgefertigt werden.
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Durch diese Halle in Allmendingen soll auch ein Gleis laufen.
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Zeitverlauf positiv beeinflusst

Die kurze Entwicklungszeit des Standortes war auch für Brunner etwas Besonderes. „Wir betreiben schon vier Gleisanschlüsse und wissen deshalb, dass es dauern kann, bis der erste Zug rollt.“ Doch in Rottenacker passte alles. Und an den Stellen, an denen es nicht passte, konnten Brunner und sein Team den Zeitverlauf positiv beeinflussen. Die 1,5 Kilometer Gleise inklusive einer Brücke über die Donau waren in einem annehmbaren und schnell aktivierbaren Zustand. Die Weiche jedoch war nicht mehr nutzbar. Statt auf die Umsetzung der DB Netz zu warten, beschleunigte Denkinger den Prozess. „Wir haben die Weiche erworben und innerhalb von sieben Monaten ausgetauscht. So konnten wir das Tempo deutlich erhöhen“, berichtet Brunner. Diese anpackende Mentalität entspricht der Firmenphilosophie von Denkinger. Der Manager ist sich sicher: „Um als Mittelständler weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir kurze Wege mit schnellen Entscheidungen.“ Mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Deutschland bereitet ihm genau dieser Aspekt Sorgen. Zu langsam, bürokratisch und schwerfällig seien die Verfahren hierzulande. Das spürt das Unternehmen, gerade bei der Entwicklung von Gleisanschlüssen, aber auch bei den Genehmigungsverfahren von Sonder- und Schwerlastverkehren.

Blaupause für Allmendingen

Am Hauptlogistikstandort in Allmendingen, auch im Alb-Donau-Kreis gelegen, will Denkinger ebenfalls ein Rail Cargo Terminal nach dem gleichen Modell wie in Rottenacker aufbauen. Die dazugehörige Halle, durch die das Gleis führen soll, steht seit fünf Jahren. „Doch in diesem Fall geht es um die Verlegung neuer Gleise, was mit einem wesentlich stärkeren Abstimmungs-, Prüf- und Genehmigungsverfahren einhergeht. So hat nun der Gleisanschluss in Rottenacker den in Allmendingen überholt“, schmunzelt Brunner. Begonnen hat der Aufbau des Bahnkonzepts mit eigenen Gleisanschlüssen vor 20 Jahren am Hauptsitz in Ehingen, nur fünf Kilometer von Allmendingen entfernt.

Auch in Bremerhaven ist Denkinger seit 2020 mit einer Niederlassung vertreten, über die Lkw- und Bahnverkehre abgewickelt werden können. „Wir haben also gute Voraussetzungen, um die Nord-Süd- Achse mit nachhaltigen Logistikkonzepten auszubauen. Gerade mit Blick auf die Seehäfen Bremerhaven und Hamburg wollen wir künftig so große Wagengruppen wie möglich oder auch Ganzzüge auf den Weg bringen“, blickt Brunner nach vorne. Bestätigt im Kurs fühlt er sich dadurch, dass das Unternehmen durch die Investitionen in bimodale Standorte mehrere 1.000 Lkw-Ladungen pro Jahr von der Straße auf die Schiene verlagert.

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Denkinger entwickelt innerhalb kürzester Zeit ein bimodales Rail Cargo Terminal in Rottenacker (Alb-Donau-Region).
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Vorreiter: Flottenausbau mit 40-Tonner E-LKW läuft

Kommt bei Denkinger auf den langen Distanzen vorzugsweise die Schiene zum Einsatz, erfolgt die Verteilung in der Region über die Straße. Für die CO2-neu-trale Transportkette stehen am neuen Standort Rottenacker seit Februar dieses Jahres zwei elektrisch betriebene 40-Tonner bereit, künftig gespeist über vier Schnellladesäulen, vorzugsweise mit dem selbst erzeugten Strom aus der PV-Anlage.

Mit den leisen und umweltfreundlichen Fern-Lkw ist Denkinger einer der Vorreiter in Baden-Württemberg, wo erst gut zehn elektrische 40-Tonner angemeldet sind. Besonders positiv fällt zudem ins Auge, dass einer der Volvo FH electric von einer Frau gelenkt wird. Insgesamt plant Brunner die E-Lkw- Flotte um zehn 40-Tonner mit einer Reichweite je 300 Kilometer zu erweitern, die auf der Kurzstrecke die bedarfsgerechte Auslieferung übernehmen. Damit wäre nach seiner Kalkulation eine gute Abdeckung erreicht.

LI und innovative IT-Lösungen willkommen

Die Auswahl, ob per Schiene oder Straße verladen wird, treffen die Disponenten bei Denkinger IT-gestützt. Die im eigenen Haus entwickelte Software prüft im ersten Schritt, welche der zu verladenden Waren sich für die Bahn oder den Lkw eignen. Im zweiten Schritt zeigt das Programm die optimale Laderaumaufteilung bei dem jeweiligen Verkehrsträger an. So ist sichergestellt, dass das geeignete Transportmittel oder eine Kombination zum Einsatz kommt und so wenig Lkw oder Waggons wie möglich eingesetzt werden. Denn bei aller Nachhaltigkeit fußen Entscheidungen bei Denkinger auf einer unternehmerischen Denke. Die Maxime fasst Brunner zusammen: „Wir wollen die Transporte ökologisch und ökonomisch darstellen.“ Die Digitalisierung ist genauso Teil der nachhaltigen Wachstumsstrategie wie die Investitionen in die Schiene. Dies wird in Kürze auch am neuen Rail Cargo Terminal in Rottenacker sichtbar werden. Dort sollen Waggons künftig mit einer IT-Lösung und Einsatz von künstlicher Intelligenz teilautomatisiert entladen und kommissioniert werden. Die dazugehörigen Kamerasysteme sind schon installiert.

Die Zukunft: IT-Unternehmen mit eigenen Logistikflächen

Man nimmt es Brunner leicht ab, wenn er sagt: „Wir sind IT-affin und wollen innovativ und technologieoffen vorangehen.“ Noch weiter spitzt die Unternehmensleitung ihre Vision zu, wenn es um die strategische Ausrichtung von Denkinger geht. Das Geschäftsführer-Trio, bestehend aus Nico und Peter Denkinger sowie Brunner, ist sich einig: „Wir möchten uns zu einem IT-Unternehmen mit eigenen Logistikflächen entwickeln, die mindestens an zwei Verkehrsträger angebunden sind.“

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