Effizienz-Boost für Hamburger Hafenlogistik
Täglich werden mehr als 6.000 Trucks an den Hamburger HHLA-Terminals abgefertigt.
© HHLA/Thies Rätzke

Effizienz-Boost für Hamburger Hafenlogistik

Moderne Trucker- und Authentifizierungs-Apps ersetzen die bislang genutzte Truckerkarte. Sie ermöglichen eine schnellere und sichere Lkw-Abfertigung an den Hafenterminals.

Die Lösungen von HHLA Next, Eurogate und Conroo sowie Dakosy bieten Lkw-Fahrern zudem die Möglichkeit, ihre Tourenplanung zu optimieren oder Frachtinformationen in Echtzeit abzurufen.

Der Hamburger Hafen hat im ersten Halbjahr im Containersegment insgesamt 3,8 Millionen TEU umgeschlagen. Bei der Abwicklung dieser riesigen Mengen im Hafen und ins Hinterland werden digitale Tools eingesetzt, um die Prozesse zu beschleunigen. Lkw-Fahrer, die auf das Terminalgelände müssen, identifizieren sich bislang noch mit der sogenannten Truckerkarte, die die Terminalbetreiber HHLA und Euogate vor knapp 20 Jahren eingeführt haben. Moderne Trucker- und Authentifizierungs-Apps sollen diese aber schon bald ablösen.

So hat HHLA Next, die Innovationseinheit der HHLA, passify entwickelt, eine App, die die Lkw-Abfertigung unter anderem an den HHLA-Terminals digitalisiert. Mit ihr wird es möglich, jeden Trucker, der auf das Terminalgelände will, eindeutig zu identifizieren. Täglich werden mehr als 6.000 Trucks an den Hamburger HHLA-Terminals abgefertigt, um Container an- oder auszuliefern. „Jeder registrierte Fahrer wird künftig verifiziert und bei der Terminaleinfahrt digital authentifiziert“, erläutert Marcel Wiegand, Co-Founder von passify. Es wird also sichergestellt, dass der Ausweis echt ist und der Fahrer die Person ist, die er vorgibt zu sein. Die App bedient sich dafür verschiedener Authentifizierungs- und Sicherheitsmechanismen über das Smartphone, um einerseits die Fahrer eindeutig zu identifizieren und um andererseits zu gewährleisten, dass geltende Datenschutzvorgaben eingehalten werden. Diese digitale Gate-Zugangskontrolle entspricht laut Wiegand internationalen Sicherheitsstandards wie dem International Ship and Port Facility Code (ISPS) oder dem Geldwäschegesetz. Der ISPSCode ist ein Sicherheitskonzept, das 2004 zur Gefahrenabwehr bei Schiffen und Hafenanlagen sowie zur Sicherheit in der Lieferkette definiert wurde.

Der Haupteffizienzgewinn für Lkw-Fahrer durch die Nutzung von passify ist, dass die gesamte Lkw-Abfertigung digital gestützt wird und sie alles über Smartphone erledigen können. „Die Fahrer müssen ihren Truck kaum noch verlassen und sparen sich Wartezeiten an verschiedenen Punkten in der Lieferkette“, betont Wiegand. passify ermöglicht den Fahrern darüber hinaus, ihre Aufträge und Slots mit ihrem Abfertigungsvorgang zu verknüpfen. Die App unterstützt sie in ihrer Landessprache bei der Abfertigung durch Tipps und Hilfestellungen, sowie eine Übersicht über die aktuellen Auslastungssituationen. Aus Sicht der Terminals liegt der Effizienzvorteil darin, dass sie keine zusätzliche wartungsintensive Hardware bereitstellen müssen und die Zettelwirtschaft ein Ende hat, während die Sicherheit massiv erhöht wird. passify wird bis Ende 2023 an den Hamburger HHLA-Terminals eingeführt und soll auch weitere Logistikakteure perspektivisch dabei unterstützen, ihre Lkw-Abfertigung zu optimieren.

„Jeder Container, der ein paar Minuten früher abgefertigt werden kann, bedeutet einen Gewinn für die gesamte Logistikkette“, bestätigt Felix Paul Czerny, Gründer und Geschäftsführer von Conroo, der sich auf die digitale Abfertigung an Containerterminals, Depots und Lagerhäusern spezialisiert hat. „Wir haben unsere Conroo-App, die sich im Hinterland an verschiedenen KV-Terminals unter anderem bei der Deutschen Bahn schon sehr gut bewährt hat, für Seehafenterminals zusammen mit Eurogate weiterentwickelt“, erläutert Czerny. Ziel ist es, den Abfertigungsprozess und die Wartezeiten für Lkw erheblich zu verkürzen sowie unwirtschaftliche Zusatzfahrten oder Stopps zu vermeiden. Die Durchlaufzeiten sollen durch die digitale Anmeldung optimiert und gleichzeitig die Touren planbarer werden.

Die Lösung funktioniert auf allen gängigen Smartphones oder Tablet-PCs und bildet für mehrere zehntausend Lkw-Fahrer bereits den gesamten Prozess ab. Live-Tests, die seit März an den Terminals stattfinden, laufen allesamt erfolgreich. Die Conroo-App- Erweiterung „digitale Truckerkarte“ wird ab Januar 2024 sukzessive an allen Eurogate-Terminalstandorten eingeführt und steht auch allen anderen Terminal- und Depotbetreibern sowie Lagerhäusern zur Verfügung.

„Für uns als Kunde war maßgeblich, dass wir auf ein bestehendes, funktionierendes, in der Praxis erprobtes, sicheres System zugreifen, das Potenzial hat, sich als ganzheitliche und übergreifende Lösung zu etablieren“, ergänzt Jannis Grantz, Projektmanager für Digitalisierungs- und Standardisierungsthemen bei Eurogate. Es werde beispielsweise das Slotbuchungsverfahren der von Dakosy betriebenen ITPlattform Truckgate, die in Hamburg bereits seit 2017 für die Containerabfertigung verpflichtend ist, in Conroo integriert.

Marcel Wiegand und Nico Marks
Co-Founder von passify

„Jeder registrierte
Fahrer wird künftig

verifiziert und
bei der
Terminaleinfahrt
digital authentifiziert"

Mit einer der neuen Apps werden Fahrer künftig schneller auf die Terminals kommen.
© Nicole de Jong

Conroo sei auch in der Lage, die Transportmanagementsysteme der jeweiligen Fuhrunternehmen per Schnittstelle anzubinden, so dass diese Aufträge in die Smartphone-App buchen können und damit dem Fahrer möglichst viel abgenommen wird. Doch Conroo erfüllt nicht nur die Anforderungen des Kunden, sondern bildet den gesamten Prozess ab – alles soll möglichst über eine Anwendung laufen.

Im Fall von Eurogate heißt das, der Lkw-Fahrer authentifiziert sich nicht nur über die Trucker-App, sondern bekommt darüber auch die Tourenplanung sowie relevante Informationen zu Gates und Fahrspuren in den Terminals. Die Lösung ist zudem in der Lage, Echtzeit-Informationen über Änderungen der Containerankunft oder Zugladezeiten zu liefern.

Das Smartphone selbst, das persönlich entsperrt werden muss, hilft zudem, die Sicherheit zu erhöhen. Gleichzeitig wird dem Fahrer die Fracht zugeordnet. Vorteil für Lkw-Fahrer: Sie müssen ihr Fahrzeug nicht mehr verlassen, um sich Zugang zum Terminal zu verschaffen. Das spart ihnen im Tagesgeschäft einiges an Zeit.

ImpalaID heißt die universell einsetzbare Authentifizierungs- App für die Logistik aus dem Hamburger Softwarehaus Dakosy. „Wir haben eine Lösung realisiert, die unternehmensunabhängig im Hafen, aber auch darüber hinaus funktioniert“, erläutert ImpalaIDProjektleiter Moritz Schick. „Die neue App schließt eine große Lücke bei der sicheren und einheitlichen Authentifizierung an den verschiedenen logistischen Knotenpunkten, beispielsweise an Schranken- oder Gate-Systemen im Hafengebiet“, ergänzt Nicolai Port, Leiter Verkehrsträger bei Dakosy.

Nutzer der ImpalaID-App registrieren sich zunächst online mit Vorname, Name und E-Mail-Adresse, die sie bestätigen müssen. In der App lassen sich anschließend verschiedene Authentifizierungslevel hinterlegen, also beispielsweise Art und Anzahl der zu prüfenden Ausweisdokumente, die in regelmäßigen Abständen verifiziert werden.

App und elektronische ID sind an mobile Endgeräte gekoppelt, also etwa an das Smartphone des Truckers, und gegebenenfalls biometrisch per Gesichtsoder Fingerabdruckscan gesichert. „Das verhindert eine einfache Weitergabe der Daten an Dritte“, sagt Port. Auch Informationen zum Fuhrunternehmen können dort abgespeichert werden. All das sei beispielsweise mit der derzeit genutzten Truckerkarte, die zur Identifikation der Fahrer und zur Steuerung der Fahrzeuge auf den Terminals dient, nicht möglich. Diese ist, einmal ausgestellt, unbegrenzt gültig, die gespeicherten Daten werden in der Regel weder aktualisiert noch verifiziert. „Es ist also nicht sicher, ob der, der die Truckerkarte vorzeigt, auch tatsächlich deren Besitzer ist. Wir halten sie deshalb nur bedingt geeignet für das, was im ISPS-Code gefordert ist“, fügt er hinzu.

Die ImpalaID-App ermöglicht den Teilnehmern eine sichere Legitimation über einen QR-Code, der nur wenige Minuten gültig ist. Praktisch zeigt der Trucker diesen also beispielsweise bei der Einfahrt auf das Terminal vor, wo er mittels eines Lesegeräts eingescannt wird. Über einen Webservice werden die Daten in Echtzeit an das Terminal übermittelt, das wiederum sogleich digital feststellen kann, ob alle Angaben zutreffen. Stimmt etwas nicht, hat der Trucker beispielsweise seinen Nachnamen nicht hinterlegt, wird ihm der Zugriff verwehrt.

Die Intention von Dakosy ist es, die ImpalaID-App als eine neutrale Lösung nicht nur zur digitalen Identifikation eines Fahrers am Hafen, sondern über die gesamte Lieferkette hinweg zu etablieren und zu implementieren. „Vom Abhol- bis zum Anlieferpunkt soll die ID fest mit der Ware verbunden sein“, erläutert Port. Einer der Pilotanwender, das Leercontainerdepot HCS, implementiert derzeit die digitale Authentifizierung mit der ImpalaID-App als Alternative zur Truckerkarte. Das heißt, Lkw-Fahrer können sich nunmehr via der Dakosy-Lösung voranmelden und sich anschließend mit dem QR-Code im HCS-Depot für die Anlieferung oder Abholung von Leercontainern legitimieren. „Wir haben die App über die von Dakosy bereitgestellte Programmierschnittstelle (API) in unser System angebunden und testen die Ausweisfunktion über den QR-Code seit Anfang Juli sehr erfolgreich“, sagt Justin Karnbach, Assistant Manager HCS Hamburger Container Service. Zunächst haben ausgewählte Trucker am Testbetrieb teilgenommen, inzwischen – die wenigen kleinen Fehler seien behoben – kann jeder Fahrer die ImpalaID-App ohne Einschränkungen bei HCS nutzen.

Darüber hinaus steigen täglich mehr und mehr Unternehmer auf das neue System um. „Dakosy hat mit ImpalaID eine Lösung für die Legitimierung der Trucker geschaffen, die nicht nur für Terminalbetreiber, sondern für diverse andere Hafenbetriebe eine unverzichtbare Möglichkeit der Verkehrssteuerung bietet“, lobt Karnbach das neue Tool. Zudem habe die App das Potenzial, alle Trucker überall im Hafen gezielt und selektiv zu legitimieren. Sie biete die Möglichkeit einer durchgängigen echten Hafenlösung.

In allen drei Anwendungen sind mehrere Sprachen hinterlegt. Einzige Krux: drei Player, drei Lösungen. Bleibt abzuwarten, ob sich eine App durchsetzt

CTD setzt auf innovative IT-Lösungen

Digitalisierung optimiert logistische Prozesse im Hamburger Hafen und ins Hinterland:

Im Hamburger Hafen, wo es vor allem im Straßenverkehr zu Stoßzeiten oft richtig eng zugeht, hilft die Digitalisierung, Zeit zu sparen, den Überblick zu behalten und die Abläufe sicher, effizient und wirtschaftlich zu gestalten. „Transparenz in der Lieferkette ist ein wichtiger Erfolgsfaktor“, sagt Marijo Pavlovic, Leiter Operation beim Container-Transport-Dienst (CTD). CTD, Tochter der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), ist spezialisiert auf Umfuhren zwischen den Hafenterminals und Depots in Hamburg sowie bei Transporten auf der ersten und letzten Meile nicht nur im Nahbereich von Hamburg, sondern auch an weiteren deutschen Standorten.

Seit vielen Jahren setzt CTD auf innovative IT-Lösungen, die die logistischen Prozesse optimieren und Transporte beschleunigen. „Seit wir die Software Cargo Support nutzen, bleibt den Truckern beispielsweise die Fahrt zur CTD-Zentrale erspart“, erzählt er.

Früher mussten sie dort die schriftlichen Aufträge abholen, heute bekommen sie diese über die sogenannte Smile-App automatisiert auf ihr Smartphone oder Tablet. Für die CO2-Einsparungen wurde CTD von der UmweltPartnerschaft Hamburg ausgezeichnet

Smile steht dabei für „Smart Last Mile Logistics“ und ist eine Anwendung, die für eine papierlose Kommunikation sorgt. „Bei uns intern ist kein Stückchen Papier mehr im Umlauf und im Prinzip würden wir auch den Bürostandort nicht mehr benötigen – alles läuft mittlerweile digital“, fügt Pavlovic hinzu. Disponenten und Mitarbeiter des Customer Service müssen nur noch fünf Tage im Monat vor Ort sein, die restliche Zeit arbeiten sie von zu Hause aus. Über Schnittstellen laufen die Aufträge der Kunden direkt in das CTD-System. Fehlen Daten, löst die Software unter Aufsicht des Customer Service automatisiert die Nachfrage beim Kunden aus, so lange, bis die erforderlichen Angaben komplett sind.

„Fahrer, die die Umfuhren der Boxen erledigen, müssen auch nichts in der App eintippen. Sie fotografieren lediglich die Rückseite der Container, auf der alle relevanten Informationen stehen“, erläutert Pavlovic. Die Smile-App ist in der Lage, aus dem Foto alle notwendigen Daten zu extrahieren. Sie informiert Kunden und weitere an der Abwicklung beteiligte Personen automatisiert und in Echtzeit über den Status des Auftrags. Mithilfe die Smile-App wird so die Zusammenarbeit zwischen Fahrern, Terminals, Kunden und Disponenten erleichtert. Zudem haben sich die Wartezeiten für Fahrer erheblich verringert.

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