Stecker rein, Emissionen aus
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Stecker rein, Emissionen aus

Der Hamburger Hafen will die Anzahl seiner Landstromanlagen massiv ausbauen. Es ist eine große Maßnahme, um die Emissionen nachhaltig zu reduzieren.

Während der Liegezeit der Schiffe fallen bisher noch viele Emissionen an, weil sie ihre Dieselgeneratoren laufen lassen müssen. Mit Landstrom lässt sich das abstellen. Dabei wird ein Schiff mit einer Landstromanlage am Kai verbunden. Über dicke Kabel bezieht es dann den Strom aus dem öffentlichen Netz, statt ihn selbst zu produzieren. Die bordseitigen Generatoren können heruntergefahren werden. Dadurch sinkt der Ausstoß von Luftschadstoffen wie Stick- und Schwefeloxiden, Feinstaub und CO₂. Positiver Nebeneffekt: Es entsteht auch weniger Lärm.

Für Nikolay Sudarev, stellvertretender Projektleiter Landstrom bei der Hamburg Port Authority (HPA), sind die positiven Auswirkungen auf die Luftqualität und folglich auf die Gesundheit der Stadtbevölkerung ein ausschlaggebendes Argument für die Landstromnutzung. Auch gegenüber der Verwendung alternativer Treibstoffe in Verbrennungsmotoren stehe Landstrom besser da. „Blickt man auf ihre jeweilige Umweltbilanz, so ist Landstrom LNG, synthetischen Treibstoffen oder Biokraftstoffen gegenüber überlegen. Bei deren Verbrennung werden weiterhin Schadstoffe ausgestoßen. Landstrom dagegen ist, sofern er aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird, nahezu emissionsfrei. Gerade für stadtnahe Häfen ist diese Technologie von besonderer Bedeutung für Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen“.

Landstrom made in Altona

Bereits 2016 hat die Hamburg Port Authority (HPA) am Cruise Center Altona die damals erste Landstromanlage für Kreuzfahrtschiffe in Europa errichtet. Seit 2018 ist sie im Regelbetrieb. Da hier fast alles automatisch abläuft, dauert es nur wenige Minuten bis Strom von Land an Bord fließt. Der Strom kommt ausschließlich aus regenerativen Energien. Angelaufen wird die Anlage primär von der AIDAsol. Die Pandemie hat die Versorgung weiterer Schiffe verzögert. Etliche Reedereien haben ihre geplanten Umbauten verschoben. Sudarev bleibt aber zuversichtlich, dass die Reedereien sich nun wieder stärker den Themen Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit widmen werden. Die ersten neuen geplanten Verbindungs- und Integrationstests seien ein gutes Indiz dafür.

2022 bezog die AIDAsol fünfzehn Mal Landstrom, bis Jahresende sind weitere Versorgungen geplant. Die Europa 2 hat die Landstromversorgung ebenfalls regelmäßig bestellt. Sudarev schätzt, dass mit Hilfe der Anlage in Altona dieses Jahr ca. 500 Tonnen CO2 eingespart werden können.

Europaweite Vorreiterrolle Hamburgs

2019 hat der Hamburger Senat einen Ausbau der Landstromanlagen im Hamburger Hafen beschlossen. Geplant ist der Bau je einer Landstromanlage an den Kreuzfahrtterminals in Steinwerder und der HafenCity. Darüber hinaus sollen insgesamt sieben Anschlusspunkte für Containerschiffe entstehen – drei am Container Terminal Burchardkai (CTB), drei am Eurogate Container Terminal Hamburg (CTH) und einer am Container Terminal Tollerort (CTT). 2024 soll auch das moderne Terminal Altenwerder (CTA) eine Landstromanlage erhalten. Sie wird von den Erfahrungen der ersten Betriebsjahre der anderen, größeren Anlagen profitieren.

Die Landstromanlagen an den Kreuzfahrtterminals sollen 2023 in Steinwerder und 2024 am Terminal HafenCity entstehen. Schon im kommenden Jahr soll an den Containerterminals und in Steinwerder der Testbetrieb beginnen. Hamburg wird damit ab 2023 der erste Hafen Europas sein, der sowohl für Kreuzfahrtschiffe als auch für große Containerschiffe eine Landstromversorgung anbietet. „Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung Dekarbonisierung des Hafens, mit der Hamburg der vorgesehenen Regulierung der EU, die CO₂-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, um viele Jahre voraus sein wird“, erklärt Friedrich Stuhrmann, Geschäftsführer der HPA.

Containerschiffe an der Steckdose

Auf den Terminals entstehen jeweils ein Entnahmepunkt aus dem öffentlichen Netz, eine Umformerstation sowie die jeweiligen Schiffsanschlusssysteme an oder sogar vor der Kaimauer. Die Anlagen werden so aufgebaut, dass an jedem Terminal eine parallele Versorgung von zwei Schiffen möglich ist. Dies ist nach Analysen der HPA die derzeit optimale technische Lösung und kann mit zunehmender Nachfrage erweitert werden. Die Hafenverwaltung hat mit Stromnetz Hamburg und anderen Beteiligten vorab ermittelt, welche Kabel, Leitungen und technischen Einrichtungen notwendig werden, um die maximale benötigte Leistung liefern zu können und dabei die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Da der Aufbau der Landstrominfrastruktur ohnehin sehr kapitalintensiv ist - die HPA investiert rund 95 Millionen Euro in die Bauprojekte – ist langfristig die Nutzung eines allgemeingültigen Systems sinnvoll. Daher sind die Anlagen nach internationalen Standards errichtet, um möglichst vielen Nutzern den Zugang zum System ermöglichen. Hierbei kooperiert die HPA eng mit den anderen europäischen Häfen. Außerdem versucht sie betreffende Reedereien zum Umrüsten ihrer Flotte zu bewegen. So ein Umbau ist zwar mit hohen Kosten verbunden, ist aber auch eine Investition für Umwelt und Zukunft, die sich umso schneller rechnet, je mehr Häfen Angebote vorhalten und je intensiver die Reedereien diese nutzen.

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Startschuss für die Integrationsphase

Anders als bei der täglichen Stromnutzung ist die Integration eines Schiffes kein einfaches Plug-In-Verfahren, sondern ein länger dauernder Prozess. Gerade beim Erstbezug von Landstrom, der für die technischen Experten an Bord oft Neuland darstellt, muss besonders vorsichtig vorgegangen werden, um Ausfälle der Stromversorgung zu vermeiden. Häufig sind mehrere Anläufe nötig, um ein Schiff zu integrieren. Da Schiffe aber meist nur eine kurze Zeit im Hafen liegen, stellt dies mitunter eine Hürde dar. Dass die Anlagen für Containerschiffe neu und bisher in dieser Art und Größenordnung einzigartig sind, macht die bevorstehende Integration umso herausfordernder. Die gute Nachricht ist jedoch: sobald die Integration einmal bestanden ist und das Schiff erfolgreich zertifiziert wurde, kann bei jedem weiteren Anlauf relativ schnell und unproblematisch Landstrom genommen werden.

Parallel zum Bau der Anlagen wirbt die HPA um Schiffe, die als Testkandidaten die Integration absolvieren wollen. Mit europäischen Großakteuren wie CMA CGM und Hapag-Lloyd finden zurzeit weiterführende Gespräche statt. Aber auch die Reedereien aus Asien, Cosco, HMM, ONE und OOCL, haben ihr Interesse bekundet.

Europäische Lösung

Die Pläne der HPA für Landstrom im Hamburger Hafen sehen vor, alle wesentlichen Liegeplätze bis 2030 mit bedarfsgerechter Infrastruktur auszustatten und schnellstmöglich CO₂-neutral zu werden. Stuhrmann ist überzeugt: Auch wenn Landstrom Herausforderungen mit sich bringe, so sei es doch eindeutig der richtige Weg, um einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaneutralität zu leisten. Um eine möglichst große Umweltwirkung zu erzielen, muss das Landstromangebot in möglichst vielen Häfen weiter ausgebaut werden. Gerade in Rotterdam und Antwerpen-Brügge ist das Potenzial zur Einsparung von CO₂ und zur Vermeidung von Schadstoffen besonders hoch.

Unterstützt vom Hamburger Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher sowie der Senatskanzlei plant der Hamburger Hafen mit den Nordrange-Häfen ein Übereinkommen zur beschleunigten Ausstattung und verstärkten Nutzung des Landstroms. Damit ein echter Aufbruch gelingt, ist der enge Schulterschuss von Schifffahrtsindustrie, Hafenmanagement und Politik unverzichtbar.

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