Mit Pilotprojekten machen wir deutlich, dass der Hafen vorangeht
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Mit Pilotprojekten machen wir deutlich, dass der Hafen vorangeht

Hamburgs Senator für Wirtschaft und Innovation Michael Westhagemann erörtert wie sich der Hamburger Hafen klimaneutral aufstellen will.

Die weltpolitische Lage bringt Unsicherheiten in die globalen Lieferketten. Davon betroffen ist auch der Hamburger Hafen. Hat diese Situation Einfluss auf dem Weg zum klimaneutralen Hafen?

Die weltpolitische Lage beschleunigt bestimmte Entwicklungen derzeit sogar. Die Notwendigkeit, uns aus der energiepolitischen Abhängigkeit von Russland zu lösen, führt unter anderem dazu, dass das Tempo im Ausbau erneuerbarer Energien deutlich steigt. Kurzfristig leiden auch viele Unternehmen im Hamburger Hafen enorm unter den gestiegenen Energiepreisen. Das darf man nicht unterschätzen. Mittelfristig gehe ich aber davon aus, dass sich unsere Strategie, frühzeitig den Aufbau einer sich selbst tragenden grünen Wasserstoffwirtschaft zu fördern, gerade auch vor dem Hintergrund der derzeitigen Entwicklungen auszahlen wird.

Wo steht denn der Hamburger Hafen heute im Bestreben klimaneutraler Hafen zu werden?

Hamburg hat bereits viel erreicht. Beim Landstrom sind wir, erstens, europaweit führend und können bald an allen Kreuzfahrtterminals und allen wichtigen Containerliegeplätzen Landstromanschlüsse vorweisen. Zweitens hat Hamburg seine Rolle als wichtigster Eisenbahnhafen Europas konsequent ausgebaut. Heute werden bereits mehr als die Hälfte der Container, die ins Hinterland gehen, auf der Schiene transportiert. Das spart gegenüber dem Straßentransport enorme Mengen an CO₂ ein. Drittens sind auch die Unternehmen selbst sehr aktiv und verstehen Klimaschutz als eine Chance, um neue Kunden zu akquirieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die HHLA, die seit 2019 das weltweit erste CO₂- neutral zertifizierte Containerterminal betreibt. Gleichzeitig ist jedoch klar, dass es noch viel zu tun gibt. Das gilt sowohl für die klassischen Umschlagsund Logistikaktivitäten im Hafen als auch für die Industrie. Unser Ziel dabei ist klar: Wir sehen die Dekarbonisierung als Chance und wollen die Voraussetzungen für neues, klimagerechtes Wachstum im Hafen schaffen.

Sie bezeichneten den Hafen jüngst als ein praxisorientiertes Spielfeld, das sich verändern und stärker als Innovationstreiber fungieren müsse. Könnten Sie das ein wenig näher erläutern?

Der Hafen hat sich immer verändert und wird dies auch weiter tun. Auch jetzt erleben wir wieder einen Prozess mit zahlreichen Umbrüchen. Zentral dabei sind die Themen Digitalisierung und Dekarbonisierung beziehungsweise Energie. Wir versuchen, die ansässigen Unternehmen beim Wandel zu unterstützen und neue, innovative Akteure herzubringen. Das geschieht durch Pilotprojekte und die Ansiedlung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Mit Pilotprojekten machen wir deutlich, dass der Hafen vorangeht und aktiv neue Technologien einführt.

Beispiele sind etwa die Unterstützung eines Pilotprojekts mit emissionsfreien Lkw oder die Nutzung von Technologien aus dem Bereich des Quantum Computing für die Optimierung der Verkehrssteuerung. Einen weiteren Quantensprung an digitaler Transparenz soll die Errichtung eines digitalen Testfelds im Hamburger Hafen erreichen, das im Schwerpunkt die vorhandenen digitalen Netzwerke des öffentlichen Verkehrs- und Infrastrukturmanagements mit denen der privatwirtschaftlichen Logistik zu einem Netzwerk der Netzwerke verknüpft. Dieses Projekt wird im Rahmen des Förderprogramms DigiTest des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) mit 15 Millionen Euro gefördert.

Bei den Ansiedlungen konzentrieren wir uns vor allem auf Unternehmen und Institutionen mit einem hohen Anteil von Forschung und Entwicklung, um die Wertschöpfung im Hafen und dessen unmittelbarem Umfeld zu steigern. Dabei sehen wir es als öffentliche Aufgabe an, diesen Akteuren entsprechende Flächen und ein geeignetes Umfeld zur Verfügung zu stellen, um neue Technologien erfolgreich zur Anwendung zu bringen. Zwei Bereiche, in denen dies in den nächsten Jahren verstärkt geschehen wird, sind der Innovationspark Am Radeland in Harburg und das Hafentorquartier Grasbrook. Dort werden gezielt Technologieunternehmen mit Hafenbezug angesiedelt werden.

Fehlt es Ihnen manchmal an Mut bei den Unternehmen?

Wir können den Unternehmen nicht mangelnden Mut vorwerfen. Angesichts der aktuellen Krisen und der derzeitigen Volatilität der Weltwirtschaft erfordert es zum Teil große Risikobereitschaft, in neue Technologien zu investieren, ein Start-up zu gründen oder einen neuen Standort aufzubauen. Als Senat müssen wir daher die Voraussetzungen schaffen, damit die Unternehmen bereit sind, diese Risiken zu tragen. Das heißt, wir müssen eine hervorragende Infrastruktur bereitstellen, in Aus- und Fortbildung investieren, Forschung und Entwicklung stärken, Unternehmen und Wissenschaft vernetzen und bei strategischen Großprojekten wie der Fahrrinnenanpassung, der Köhlbrandquerung oder der Entwicklung am ehemaligen Kraftwerk Moorburg die Richtung vorgeben.

Der Hamburger Hafen ist eines der größten zusammenhängenden Industriegebiete in Europa. Die Unternehmen benötigen für Produktion und logistische Leistungen viel Energie. Woher wird diese in den kommenden Jahren kommen?

Heute ist der Anteil an fossiler Energie noch vergleichsweise hoch. Aber das wird sich in den kommenden Jahren in steigendem Tempo ändern. Der Hafen wird in immer größerem Maße mit Energie aus erneuerbaren Quellen versorgt werden. Dabei werden wir auch die Energiegewinnung auf den Hafenflächen selbst – durch Windkraft und Photovoltaik – weiter ausbauen. Allerdings ist klar, dass dies nur einen vergleichsweise geringen Teil des Energiebedarfs deckt. Daneben wird Strom vor allem aus Windenergie eine immer größere Rolle spielen. Hier profitieren wir von der Nähe zu den großen On- und Offshore-Windparks an der Küste.

Darüber hinaus werden wir aber auch weiter Energieträger importieren müssen. Im Gegensatz zu heute wird dies immer weniger in Form von Kohle und Öl oder Gas geschehen, sondern durch Wasserstoffderivate per Schiff und auch per Pipeline. Derzeit schaffen wir die Voraussetzungen, um dies möglich zu machen.

Wir begrüßen das
Fit for 55-Paket
der Europäischen
Kommission“

Michael Westhagemann

Hamburg's Wirtschaftssenator

Kann das ein Hafen allein überhaupt steuern. Benötigt Hamburg nicht vielmehr auch Unterstützung vom Bund?

Gerade wir in Hamburg sind nach wie vor vom Föderalismus überzeugt, nicht nur aus Traditionspflege. Zunächst einmal ist der Hafen Ländersache und das ist gut so. Denn in vielen Fällen können wir flexibler auf Entwicklungen reagieren und Hafenpolitik mit der gesamtstädtischen Wirtschaftspolitik, aber auch der Verkehrs-, der Umwelt- und der Forschungspolitik vernetzen und abstimmen. Dabei müssen wir grundsätzlich auch für eine auskömmliche Hafenfinanzierung sorgen. Allerdings ist auch unbestreitbar, dass der Hamburger Hafen eine große überregionale Bedeutung hat und für die Volkswirtschaft Deutschlands eine zentrale Rolle spielt. Das verdeutlicht auch der Blick auf einige Zahlen. Während der Hafen für die Metropolregion – die ja auch schon deutlich über die Landesgrenzen hinausgeht – eine jährliche Wertschöpfung von ca. 12,4 Milliarden Euro generiert, beträgt dieser Wert für ganz Deutschland 50,5 Milliarden Euro. Auch sichert er in ganz Deutschland ca. 600.000 hafenbezogene Arbeitsplätze. Davon sind aber nur ca. 11 Prozent in Hamburg verortet.

Zudem erfüllt der Hafen natürlich eine zentrale Funktion für den deutschen Im- und Export. Das lässt sich beispielsweise daran ablesen, dass ein Drittel aller Containerzüge und rund 13 Prozent aller Güterverkehre im deutschen Schienennetz ihr Ziel oder ihren Ursprung im Hamburger Hafen haben. Wenn man sich diese Bedeutung vor Augen führt und zugleich die Größe der Zukunftsinvestitionen kennt – beispielsweise beim Köhlbrandtunnel oder beim Landstrom – dann ist klar, dass eine Unterstützung durch den Bund absolut angemessen ist.

Bisher sehen wir Landstrom hauptsächlich bei Kreuzfahrtschiffen. Wäre eine europäische oder gar weltweite Zusammenarbeit der Häfen zielführender als Alleingänge?

Mit der Nutzung von Landstrom während der Liegezeit der Schiffe im Hafen reduzieren wir in der Tat den CO₂-Ausstoß, aber auch Luftschadstoffe. Dies ist gerade in Hamburg, mit einem Hafen im Herzen der Stadt, von besonderer Bedeutung. Wir haben daher bereits 2016 die erste Landstromanlage am Kreuzfahrtterminal Altona in Betrieb genommen und bauen derzeit neue Landstromanlagen an den Kreuzfahrtterminals Steinwerder und HafenCity. Aber wir gehen noch weiter und bauen die Landstromversorgung auch für Containerschiffe aus. An den vier großen Containerterminals werden wir künftig Landstrom zur Verfügung stellen. Finanzielle Unterstützung bekommen wir hierbei vom Bund, der rund 50 Prozent der Investitionskosten trägt.

Die Schifffahrt unterliegt internationalen Regelungen. Eine reine „Insellösung“ für Hamburg ist nicht in unserem Interesse und wird nicht zu einer breiten Nutzung von alternativen Energieversorgungssystemen beitragen. Wir brauchen vielmehr ein europäisches Level-Playing-Field. Dafür sind einheitliche Regeln nötig. Es darf keine Benachteiligung für Häfen geben, die bereits Maßnahmen ergriffen haben bzw. ergreifen, während andere Häfen den Klimaschutz

weniger ambitioniert verfolgen. Daher begrüßen wir insgesamt das Fit for 55-Paket der Europäischen Kommission und die damit einhergehende Landstrompflicht. Mit den großen europäischen Häfen arbeiten wir eng und partnerschaftlich zusammen. So stehen wir im Austausch mit dem Hafen und der Stadtverwaltung in Rotterdam und intensivieren die Kontakte mit Antwerpen. Aber wir agieren auch international, so konnten wir in technischer Hinsicht von den Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen des Port of Los Angeles profitieren, haben einen engen Kontakt nach Montreal und haben auch die asiatischen Häfen im Blick.

Grüner Wasserstoff gehört Ihrer Meinung nach zum Energiemix der Zukunft. Wie weit sind denn die Vorbereitungen für ein Wasserstoff-Hub in Hamburg gediehen?

Mit der norddeutschen Wasserstoffstrategie haben wir bereits 2019 den politischen Rahmen gesetzt und verfolgen nun die gemeinsame Vision des Aufbaus einer sich selbst tragenden grünen Wasserstoffwirtschaft bis zum Jahr 2035.

Um beim Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft richtig Fahrt aufzunehmen haben wir im vergangenen Jahr unser Cluster Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH) um den Bereich Wasserstoff ergänzt. Das Sinnbild der künftigen grünen Wasserstoffwirtschaft ist für viele das im Hamburger Hafen entstehende Projekt rund um den skalierbaren 100 MW Elektrolyseur, der mit weiteren Vorhaben verbunden ist: dem Aufbau eines Wasserstoffleitungsnetzes (HH-WIN), Anwendungen in Metallurgie, Hafenwirtschaft sowie Luftfahrt. Hamburg wird mit 30 Prozent der öffentlichen Förderung einen großen Beitrag für diese wegweisenden Projekte leisten, die als Teil eines umfassenden EU-Programmes aktuell das sogenannte europäische „Matchmaking“ mit anderen Projekten durchlaufen.

Ein weiteres Leuchtturmprojekt ist das „Innovationsund Technologiezentrum Wasserstofftechnologien für Mobilitätsanwendungen“, kurz: ITZ Nord, das an den Standorten Hamburg, Bremen und Stade geplant und vom Bund (BMDV) mit Mitteln in Höhe von bis zu 70 Millionen Euro unterstützt wird. Mit der im März veröffentlichten Wasserstoff-Importstrategie hat meine Behörde einen weiteren Meilenstein gesetzt, um als „Green Hydrogen Hub Europe“ über Importe die Bedarfe der Abnehmer vor Ort zu bedienen sowie ebenfalls als Transitstandort nationale und europäischen Bedarfe zu adressieren. Zudem setzen wir verstärkt auf internationale Kooperationen mit Regionen, aus denen Wasserstoff oder seine Derivate nach Deutschland importiert werden können.

Eine wichtige Rolle könnten auch Eigeninitiativen der Unternehmen spielen. Kennen Sie Beispiele von Hamburger Hafenbetrieben, die aktiv am Energiemix arbeiten?

Viele der Unternehmen sind hier sehr aktiv. Immer mehr Unternehmen der Logistik etwa verfolgen eine Strategie der Dekarbonisierung, um damit auch Kunden zu gewinnen, die den Endverbrauchern Produkte mit CO₂-neutraler Lieferkette anbieten wollen. Das CTA als weltweit erste zertifiziert-klimaneutrale Umschlaganlage für Container habe ich bereits erwähnt. Dabei setzen die Unternehmen auf eine Kombination aus Elektrifizierung zur Nutzung von Ökostrom und CO₂-Kompensation für die verbleibenden Rest-Emissionen. Wo immer dies technisch und betriebswirtschaftlich möglich ist, produzieren die Unternehmen auch selbst Strom, durch Photovoltaik und in substantiellem Maße auch durch Windkraft. So stehen einige der größten und leistungsstärksten Windkraftanlagen in Hamburg im Hafen und dienen unmittelbar der Energieversorgung von Industrie- und Umschlagunternehmen. Derzeit prüfen wir, in welchem Ausmaße zusätzliche Windenergieanlagen im Hafen ohne Konkurrenz zu Hafennutzungen realisiert werden können; dabei werden auch die neuen bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen wie das „Wind-an-Land-Gesetz“ eine maßgebliche Rolle spielen.

Gibt es seitens der Hamburger Politik Unterstützung für solche Initiativen?

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat sich unter anderem stark dafür eingesetzt, dass im Hafen viele Windenergieanlagen errichtet werden. Die Leistung der vorhandenen Windparks soll in den kommenden Jahren verdoppelt werden. Maßnahmen, um grünen Strom verstärkt in Industrieunternehmen einzusetzen, die sogenannte Sektorenkopplung, werden durch die Hansestadt mit Förderprogrammen unterstützt. Weiterhin setzt sich Hamburg dafür ein, dass eine sich selbst tragende Wasserstoffwirtschaft entsteht. Hier sind natürlich die acht Hamburger Projekte im Rahmen des Programms „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) der EU zu nennen. Die Stadt fördert diese Projekte mit 223 Millionen Euro aus Landesmitteln. Weitere 520 Millionen Euro wird der Bund übernehmen. Insgesamt sprechen wir hier über eine Investitionssumme von ca. 2 Milliarden Euro für Projekte, die ganz überwiegend im Hafen verortet sind. Damit legen wir einen weiteren, wichtigen Grundstein für die Transformation zu einer künftigen Wasserstoffwirtschaft.

Der Hafenentwicklungsplan steht kurz vor seiner Vollendung. Verraten Sie uns, welche Rolle der Umbau zum klimaneutralen Hafen spielen wird?

Schon jetzt ist klar, dass die Ziele Klimaschutz und Nachhaltigkeit ein zentrales Leitmotiv des neuen Hafenentwicklungsplans darstellen werden. Alles andere wäre Realitätsverweigerung. Aber wir versuchen mit dem HEP nicht, einem Trend hinterherzulaufen. Vielmehr schauen wir, wie wir die Chancen, die sich aus Energiewende und Klima-Transformation ergeben, für den Hafen nutzen können. Wir wollen nicht bloß auf die Probleme unserer Zeit reagieren, sondern nach vorne schauen und die Zukunft mitgestalten. Auch dafür ist das Thema Wasserstoff ein gutes Beispiel. Der Hafen verfügt über starke Unternehmen im Bereich der Mineralölindustrie und ist heute noch ein wichtiges Hub für den Umschlag von Kohle. Indem wir frühzeitig und energisch auf Wasserstoff als Energieträger setzen, unterstützen wir die Transformation der genannten Sektoren hin zu ökologischer Nachhaltigkeit. Das Ziel ist, nicht nur bestehende Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern, sondern neues Wachstumspotenzial zu schaffen.

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