Das große Warten auf den Durchbruch
Hapag-Lloyd entwickelt kontinuierlich seine Liniendienste nach Afrika weiter.
© Hapag-Lloyd

Das große Warten auf den Durchbruch

Der zweitgrößte Kontinent der Erde kennzeichnet sich durch eine junge, wachsende Bevölkerung, reiche Rohstoffvorkommen und kräftige Wachstumsraten. Er lockt damit Unternehmen an, die sich diverser aufstellen wollen.

Die aktuellen Krisen haben Afrika einmal mehr in den Fokus gerückt. Der Kontinent wird wieder wichtiger für Investitions- und Handelspartner. Er lockt zunehmend Unternehmen an, die sich breiter aufstellen wollen. Umgekehrt wollen auch afrikanische Staaten ihre Geschäfte diversifizieren. Die Zahl der afrikanischen Länder, in denen freie und faire Wahlen stattfinden, nimmt zu. Das Wirtschaftswachstum des Kontinents steigt seit einem Jahrzehnt kontinuierlich, die Aussichten sind gut.

Treiber sind einem Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zufolge die fortschreitende Urbanisierung, eine immer breitere Mittelschicht und ein wachsender Dienstleistungssektor. Infrastrukturinvestionen und Einnahmen aus Rohstoffverkäufen wie Erdöl sind ebenfalls für das Wachstum verantwortlich. Darüber hinaus setzen viele afrikanische Staaten auf einen Ausbau der erneuerbaren Energien, wie etwa Kenia. Das Auswärtige Amt betont, dass Afrika vor Potenzialen strotzt: eine junge, wachsende Bevölkerung, reiche Rohstoffvorkommen und kräftige Wachstumsraten.

Bereits im Mai 2022 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz die drei west- und südafrikanischen Staaten Senegal, Niger und Südafrika besucht. Es ging vor allem darum, die wirtschaftlichen Beziehungen zu stärken. Bei seiner zweiten Reise im Mai dieses Jahres nach Äthiopien und Kenia standen erneut Wirtschaftsthemen im Vordergrund, immens wichtig sei es seiner Meinung nach aber auch, den Klimawandel und aktuelle Konflikte zu bekämpfen.

"Wir müssen uns auf eine multipolare Welt einstellen, in der viele Länder des globalen Südens eine große Bedeutung erlangen werden", sagte Scholz bei seiner Ankunft in Ostafrika. Er zeigte sich beeindruckt von der Tatsache, dass Kenia bereits mehr als 90 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energiequellen gewinnt. "Afrika ist für uns in Deutschland, für uns in Europa, von entscheidender Bedeutung", betonte der Bundeskanzler. Es gilt, die Länder Afrikas ganz neu in den Blick zu nehmen und Partnerschaften auf Augenhöhe zu begründen.

Rahmenbedingungen verbessern

Neben den Zukunftschancen Afrikas hat der Kontinent jedoch auch großeHerausforderungen zu meistern. Faktoren wie Armut, politische Instabilität oder mangelnde Infrastruktur stellten das wirtschaftliche Engagement Deutschlands und die Aktivitäten ausländischer Investoren vor besondere Rahmenbedingungen, schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Und weiter, dass das wirtschaftliche Potenzial Afrikas erheblich, aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft sei.Für viele deutsche Unternehmen ist Afrika nicht erst seit der Energiekrise und der Pandemie ein attraktiver Kontinent. Vor allem Südafrika ist für Deutschland ein wichtiger Handelspartner, da es über Reserven an Chrom, Gold, Mangan und Platinmetallen verfügt. Aber auch der Handel mit Ägypten, Libyen, Tunesien, Nigeria, Marokko, Algerien und der Elfenbeinküste nimmt aufgrund von deren Rohstoffvorkommen zu.

Die Hamburger Containerreederei Hapag-Lloyd ist bereits vor 15 Jahren in den afrikanischen Markt südlich der Sahara eingestiegen und verzeichnet seither ein kontinuierliches Wachstum des Transportvolumens von und nach Afrika. Seit 2006, als Hapag-Lloyd und CP Ships fusioniert haben, ist Afrika für das Unternehmen ein besonders wichtiger Markt. Den Start bildeten Aktivitäten im Senegal, woraufhin das Unternehmen bald auch in Südafrika aktiv wurde, damals noch in Zusammenarbeit mit der Schweizer Linienreederei Mediterranean Shipping Company (MSC), die mehr als zehn Jahre gedauert hat.

"Im vergangenen Jahr haben wir das Containerliniengeschäft von Deutsche Afrika Linien (DAL) übernommen, um unser Geschäft dort entsprechend auszubauen", erklärt Sascha Godemann, Director Trade Management Africa bei Hapag-Lloyd. Die Übernahme der DAL sei eine hervorragende Ergänzung zu den bestehenden Aktivitäten auf dem afrikanischen Kontinent, vor allem das Angebot von und nach Südafrika profitieren davon.

Die Integration der Containerlinienaktivitäten sei mittlerweile abgeschlossen. Hapag-Lloyd hat die 150 Mitarbeiter übernommen, die in Hamburg und den DAL-Büros in Südafrika sitzen. Das 6.589 TEU-Containerschiff "Kalahari-Express" sowie die Flotte von fast 18.000 eigenen und geleasten Containern sind ebenfalls in den Besitz der Hamburger Reederei übergegangen.

Ausbau nach Westafrika

Ein Jahr zuvor hatte Hapag-Lloyd die auf Afrika spezialisierte niederländische Reederei NileDutch übernommen und damit seine Präsenz und sein Dienstleistungsangebot von und nach Westafrika deutlich erweitert. "Bis dahin waren wir unter anderem in Nordwestafrika, Ghana und Nigeria vertreten", sagt Godemann.

Mit der Übernahme kamen Büros in Angola, Kongo und Kamerun hinzu. In Südafrika unterhält das Unternehmen nun einen Hauptsitz in Durban, Büros in Johannesburg und Kapstadt sowie ein sehr dichtes Agenturnetz.

NileDutch hat sieben Liniendienste, rund 35.000 TEU Transportkapazität und eine Containerflotte mit einer Kapazität von rund 80.000 TEU mitgebracht. Hapag-Lloyd verfügt außerdem über eigene Büros in Marokko, Ghana, Nigeria, Kenia und Senegal und hat sein Netzwerk nach Ostafrika erweitert mit Diensten nach Kenia und Tansania.

Marokko beispielsweise ist ein wichtiger Exporteur von gekühlten Gütern wie Obst, Gemüse und Meeresfrüchten und damit ein wichtiger Teil der Entwicklungsstrategie im Segment der Reefer-Verkehre. Das Land exportiert Waren wie Mineralien, Chemikalien, Textilien und Lebensmittel wie Weizen, Mais, Ölsaaten oder Zucker. Importiert werden vor allem Elektronik, Ersatzteile und Lebensmittel. Über den Hafen Tanger-Med ist es an das globale Hapag-Lloyd-Netzwerk angeschlossen. Die Reederei hat sich darüber hinaus mit zehn Prozent am Containerterminal 3 (TC3) im Hafen von Tanger-Med 2 beteiligt.

Aus dem Senegal transportiert Hapag-Lloyd hauptsächlich Nüsse, Baumwolle und Mineralien. Der Export von Fischen und Fischprodukten gehört ebenfalls zu den wichtigen Einnahmequellen des Landes. 2023 soll mit der Förderung von Erdöl und Erdgas vor der Küste begonnen werden. Der Senegal importiert vor allem Chemikalien, Lebensmittel und Bekleidung. Das Land ist durch den wöchentlichen West Africa Express (WAX) an das Netzwerk der Reederei angebunden. In Ostafrika verbindet East Africa Service 3 (EAS3) Kenia mit den wichtigsten Häfen in Singapur und Shanghai, während der East Africa Service 2 (EAS2) das ostafrikanische Land mit der Westküste Indiens und Jebel Ali in Dubai verknüpft.

Über ganz Africa verteilt unterhält die Reederei 14 Liniendienste und drei Intra Africa Short Sea Services, mit wenigen Ausnahmen alle mit wöchentlicher Frequenz. Schlüsselpartner sind Maersk, CMA und ONE, aber das Unternehmen kooperiert auch mit PIL, Goldstar (GSL) und Emirates Shipping Line (ESL). Hapag-Lloyd arbeitet sehr stark nach dem Hub-and- Spoke-Prinzip. „Wir sind ständig dabei, Synergien zu finden und unsere Produkte – nicht nur in Afrika – zu optimieren und zu erweitern“, erläutert Godemann. Die Reederei verzeichne in den vergangenen Jahren in Afrika jeweils ein zweistelliges Wachstum bezogen auf das Volumen, generiert teilweise auf natürliche Weise und teilweise durch den Zukauf von weiteren Carriern.

Das Geschäft macht inzwischen knapp sieben Prozent des Gesamtvolumens von Hapag-Lloyd aus. Ziel sei es, diesen Anteil in Kürze auf acht bis neun Prozent zu erhöhen und die Eine-Million-TEU-Grenze zu knacken, von der man nicht mehr weit entfernt sei. Das Unternehmen beobachtet den Markt ständig, ermittelt Im- und Exportdaten und tauscht sich entsprechend mit Kollegen vor Ort aus, um zu eruieren, wo Möglichkeiten sind, weiter zu wachsen. „Wir checken, ob das Geschäft profitabel und welches Investment gefordert sein wird. Gibt es strategische Partner, die man hinzuziehen kann, und welche Vorteile ergeben sich für die Hapag-Lloyd-Welt?“ Am Ende der Analyse steht dann ein schlichtes Ja oder Nein.

Außenhandel Afrika

Laut dem Africa Business Guide der Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing (GTAI) mit Sitz in Berlin konnte der deutsche Außenhandel mit Afrika 2022 um 21,3 Prozent auf ein neues Rekordniveau von 59,8 Milliarden Euro zulegen. Die Importe aus Afrika stiegen um 27,4 Prozent auf 33,4 Milliarden Euro. Allein aus der Republik Südafrika importierte Deutschland Waren im Wert von 14,4 Milliarden Euro – nach 12,3 Milliarden Euro im Vorjahr. Auf Platz zwei folgte Libyen, von wo Deutschland fast ausschließlich Erdöl im Wert von 3,6 Milliarden Euro importierte. Die Erdölproduzentenländer Nigeria mit Einfuhren in Höhe von 1,9 Milliarden Euro und Tschad mit 1,2 Milliarden Euro hatten ebenfalls einen Anteil an den höheren Importen.

Der GTAI zufolge legten die deutschen Exporte mit einem Plus von 14,5 Prozent auf 26,4 Milliarden Euro zwar etwas weniger zu. Aber auch hier stand Südafrika mit Lieferungen von 9,8 Milliarden Euro ganz oben. In Nordafrika waren Ägypten (4,2 Milliarden Euro) und Marokko (2,8 Milliarden Euro) die größten Abnehmerländer. Neben Südafrika waren in Subsahara-Afrika noch Nigeria mit Exporten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro, die Elfenbeinküste mit gelieferten Waren im Wert von 334 Millionen Euro und Kenia mit Exporten in Höhe von 260 Millionen Euro wichtige Absatzmärkte.

Blick von oben auf den Hafen von Durban, Südafrika.
© iStockphotos/michaeljung

Drei Fragen an …

Director Trade Management Africa bei Hapag-Loyd.

1. Sie sind seit mehr als einem Jahrzehnt in Afrika aktiv. Warum ist der Kontinent ein strategisch wichtiger Markt für Hapag-Lloyd?

Es wird erwartet, dass der Kontinent im Vergleich zu den Märkten der Welt in den nächsten fünf bis zehn Jahren die größten Wachstumsraten verzeichnet. Wir erwarten, dass auch das containerisierte Volumen weiter steigt, und sehen als Containercarrier gute Chancen, dort weiter zu wachsen. Die Mittelschicht in Afrika ist jung und wird immer größer, speziell in Südafrika oder Industriezonen wie Nigeria, Ghana oder Kenia. Gesättigte Märkte in den Industrieländern oder die bekannten Probleme im Russland-Geschäft wecken das Interesse am afrikanischen Markt.

Das große Warten auf den Durchbruch
Sascha Godemann
© Hapag-Lloyd

Unternehmen wie Volkswagen haben bereits in lokale Produktionsstätten investiert. Der Autokonzern beispielsweise unterhält Fahrzeugmontagestandorte in Südafrika, Kenia, Nigeria, Ruanda und Ghana. Auch Indien investiert in Afrika, etwa in Textilproduktionen. Statt die Baumwolle für die Verarbeitung nach Bangladesch, Pakistan oder China zu bringen, werden Textilien vor Ort hergestellt und zum Beispiel in die USA verschifft. Es geht dabei vor allem um kürzere Transportwege, aber auch darum, die lokale Bevölkerung zu unterstützen.

2. Welchen Herausforderungen müssen Sie sich stellen und was ist anders im Vergleich zu anderen Kontinenten?

Viele afrikanische Länder sind durch Konflikte in Mitleidenschaft gezogen. Vielerorts gibt es politische Unruhen, wie wir sie gerade im Sudan erleben. Wahlen oder Regimewechsel beobachten wir immer mit sehr viel Interesse und hoffen, dass es nicht zu Ausschreitungen kommt. Noch immer leben Millionen von Menschen in Afrika unter der Armutsgrenze und vom Wachstum profitiert selten die Allgemeinheit. Der soziale Druck und Korruption sind in vielen afrikanischen Staaten ein Nährboden für Frustration und Unruhen. Häufig fehlen den Menschen Perspektiven. Landbewohner ziehen in die Stadt und hoffen auf ein besseres Leben. Zwar haben sich einige afrikanische Länder in den vergangenen Jahren auch zu stabilen Volkswirtschaften entwickelt, unsichere Arbeitsverhältnisse mit niedrigen Löhnen sind aber immer noch verbreitet. Eine weitere Herausforderung ist die Infrastruktur in den Häfen, aber vor allem auch im Hinterland. Es gibt auch hier ausländische Investoren, die Straßen bauen, bislang gibt es aber vielerorts keine guten Straßen- und Schienennetze. Herausforderungen operativer Natur wie unter anderem Tiefgangsbeschränkungen und Hafenüberlastungen erschweren manchmal unsere Geschäftstätigkeit.

3. Welche Tipps geben Sie Unternehmen, die mit Afrika ins Geschäft kommen wollen?

Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Jedes Land in Afrika ist anders, es gibt so viele Unterschiede, von Küste zu Küste und Land zu Land, dass man hier keine pauschale Aussage treffen kann. Sicherlich ist es sinnvoll, wenn man komplett neu reinkommen möchte, sich gezielt auf das jeweilige Land und dessen Markt vorzubereiten. Welche Sprache wird dort gesprochen, kann man auf Englisch oder Französisch kommunizieren? Welche Gepflogenheiten sind zu beachten? Sinnvoll ist es außerdem, sich mit lokalen Unternehmen in Verbindung zu setzen, zuzuhören und zu lernen, und vor allem lokale Mitarbeiter einzusetzen. Aber Achtung, was in Marokko üblich ist, muss nicht zwangsläufig woanders genauso funktionieren. Auch darf der Kontakt zu den örtlichen Behörden nicht vernachlässigt werden. Sicherlich zahlt es sich aus flexibel zu sein. Übrigens: Von Deutschen wird in der Regel Pünktlichkeit erwartet.