„Wir sind für Ideen offen“
© HPA, Andreas Schmidt-Wiethoff

„Wir sind für Ideen offen“

Jens Meier, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Hamburg Port Authority (HPA), macht im Gespräch mit dem Port of Hamburg Magazine deutlich, wie bedeutend eine kontinuierliche Digitalisierung für den Hamburger Hafen ist.

Im Hamburger Hafen gehört die Digitalisierung der Prozesse zur täglichen Arbeit. Seit wann beschäftigt sich die Hamburg Port Authority schon mit dem Thema? Was waren die ersten Projekte, die ins Leben gerufen wurden?

Die HPA hat bereits sehr früh damit begonnen, sich mit den Vorteilen der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Zum Beispiel haben wir die Straßen im Hamburger Hafen mit Bluetooth, Videodetektoren und Induktionsschleifen ausgestattet, um den Verkehrsfluss auf der begrenzten Hafenfläche zu optimieren. Erste Ergebnisse haben wir 2015 einem internationalen Publikum auf der IAPH Welthafenkonferenz gezeigt.

Dazu gehörte damals unter anderem eines der ersten IoT-Projekte, die smartROAD. smartROAD zielte darauf ab, auf ausgewählten Straßenabschnitten im Hamburger Hafen Anwendungsfälle einer intelligenten Straße zu demonstrieren. Neben Möglichkeiten der Verkehrserkennung und des Verkehrsmanagements sowie adaptiver Beleuchtungssteuerung für Fußgänger und Radfahrer zeigte das Projekt, wie moderne Sensorik Daten über Infrastrukturzustand und Umwelteinflüsse sammelt und abbildet. In Zusammenarbeit mit Partnerfirmen wurden an ausgewählten Straßenabschnitten im Hamburger Hafen alle relevanten Informations- und Kommunikationstechnologie-Systeme, Sensoren, Videokameras und Netzwerkkommunikationskomponenten installiert, um die Idee eines smartPORT voranzubringen.

Was meinen Sie, wie weit sind Sie in den vergangenen Jahren bei der Digitalisierung insgesamt vorangekommen?

Dank des Engagements aller Beteiligten sind wir bereits ein großes Stück vorangekommen. So hat zum Beispiel die Modernisierung der Hafenbahn – auch durch Digitalisierung – dazu beigetragen, dass dieses Bindeglied zwischen den Umschlagterminals der Containerschiffe und dem europäischen Schienennetz ein zentraler Wettbewerbsfaktor für den Hamburger Hafen ist. Aber auch der Neubau der Nautischen Zentrale mit der dazugehörigen Digitalisierung von Kartenmaterial oder der Einsatz von Drohnen bei der Wartung unserer Anlagen sind nur einige zentrale Beispiele, wie wir den Hafen Schritt für Schritt modernisiert haben. Der Einbau von Sensoren, wie zuletzt auf einer Reihe von Straßen auf der Veddel, spielt dabei immer noch eine Rolle. Natürlich müssen wir am Ball bleiben. Daher ist es uns wichtig, nicht alles selbst umsetzen zu wollen, sondern vielmehr sehen wir den Hafen auch als Testfläche für innovative Projekte und sind offen für Ideen.

Teilen wir den Fortschritt auf die verschiedenen Verkehrsträger auf und beginnen mit der Straße.

Wir sehen aktuell einen großen Wandel bei den Fahrzeugen. E-Fahrzeuge sind längst keine Seltenheit mehr im Straßenbild. Seit September 2022 werden im Hamburger Hafen die ersten drei batterieelektrischen (BEV) Nikola Tre Sattelzugmaschinen in Europa getestet.

In Zusammenhang mit alternativen Antrieben ist die Digitalisierung eine gute Möglichkeit, um die Infrastruktur bestmöglich zu nutzen. Auf dem ITS Congress haben wir dazu das Projekt MOZART vorgestellt. Ziel von MOZART (Mobility, Optimierung, dig. Zwilling, Analyse, Real Time, Traffic) ist, starre und adaptiv geregelte Lichtsignalanlagen (LSA) um eine netzübergreifende, kontinuierliche Echtzeit-LSA-Programmauswahl zu ergänzen. Durch besser fließende Verkehre müssen Fahrzeuge weniger bremsen und beschleunigen, was wiederum zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes führt. Ein weiterer positiver Aspekt sind besser planbare Transporte für die Unternehmen. Der Faktor Zeit spielt dabei eine wichtige Rolle. Damit Verkehre entsprechend gesteuert werden können, sind viele Berechnungen innerhalb von Sekunden, wenn nicht sogar Millisekunden notwendig. Im Projekt MOZART wurde dafür in den ersten beiden Phasen eine sogenannte Digital Annealer Unit getestet.

Beide Entwicklungen sind im Hafen ganz klar auch unter den Aspekten der Nachhaltigkeit zu sehen. Wir bringen mit innovativen Antrieben und einer modernen Verkehrssteuerung zum einen die Dekarbonisierung maßgeblich voran. Zum anderen mindern wir aber auch weiter den Ausstoß von CO² und reduzieren die Lärmentwicklung im Hafen.

Die HPA hat erst vor Kurzem auch Sensoren in eine neuartige Asphaltdecke mit eingebaut. Welche digitalen Prozesse sollen diese unterstützen?

Im Rahmen der Straßenerneuerung auf der Veddel wurden auch 66 Beschleunigungs- und Temperatursensoren eingebaut. Diese ermöglichen zum einen, Informationen über die Belastung der Straße zu erlangen und somit das Erhaltungsmanagement zu optimieren, zum anderen dienen sie der Verbesserung des Verkehrsleitsystems. Temperatursensoren geben bereits während der Bauarbeiten Auskunft über die Temperatur des Asphalts. Beschleunigungssensoren messen anhand von Schwingungen und Druck die tatsächliche Belastung der Straße, die durch Achslasten, die Geschwindigkeit sowie die Beschleunigungs- und Bremskräfte hervorgerufen werden. Mit den Daten aus den Sensoren sollen Rückschlüsse auf den Belagszustand und das Tragverhalten möglich sein. Auch die Einbindung in ein Verkehrsmodell zur Optimierung des Verkehrsflusses ist in Zukunft vorstellbar.

Die Hamburger Hafenbahn ist ein sehr wichtiger Verkehrsträger für die Hinterlandanbindungen des Hamburger Hafens. Auch hier sind Sie dabei, viele Abläufe zu automatisieren. Können Sie die wichtigsten kurz beschreiben?

Neben umfangreichen Investitionen in die physische Infrastruktur der Hafenbahn tragen auch Investitionen in IT-Systeme, vor allem auch transPORT rail als zentrale Austauschplattform von bahnbezogenen Daten und Transportabwicklung, im Hafen zu einer Verbesserung der Infrastrukturnutzung und des Ressourceneinsatzes durch verbesserte Planbarkeit und Reaktionsfähigkeit im operativen Betrieb bei. transPORT rail ist ein Verkehrsmanagementsystem für den Bahntransport im Hamburger Hafen, das eine effektive Schnittstelle für den Güter- und Datentransport bietet. Zugang zum System erhalten die Nutzer entweder per Schnittstelle oder über das Internet (Web- Client). Nutzer sind in der Regel Ladestellen und Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), Letztere können die Eingabe ihrer Daten aber auch an Eisenbahn- Operateure oder andere Dienstleister vergeben, sofern sie eine entsprechende Vollmacht ausstellen.

Ein weiterer großer Bereich für digitale Anwendungen ist die Instandhaltung der Infrastruktur. Mit digitalen Zwillingen lassen sich Bauwerke wie die Köhlbrandbrücke virtuell darstellen. Was versprechen Sie sich von solchen Anwendungen?

Ein sehr prominentes Beispiel ist die smartBRIDGE, ein Pilotprojekt mit dem Ziel, die Instandhaltung der Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen zu optimieren. Die Software erschafft einen digitalen Zwilling, eine Echtzeitrepräsentation der realen Brücke auf Basis all ihrer zur Verfügung stehenden Zustandsdaten, um ihre Instandhaltung durch alle damit betrauten Akteure zu verbessern. Bei smartBRIDGE sind mehr als 520 Sensoren verbaut, die auch für Predictive Maintenance genutzt werden. Bei dem Projekt digitaler Zwilling / Digital Port Twin handelt es sich um eine Fortsetzung der Augmented und Virtual Reality-Projekte der HPA. Der digitale Zwilling soll die Planung von künftigen Infrastrukturprojekten unterstützen, indem komplexe Abläufe besser, sicherer und effizienter dargestellt werden können. Anwendungsbeispiele sind virtuelle Abbildungen der Leitstände der HPA sowie die Einbindung von Sensordaten. Alle in 3D visualisierten Leitstände und die digitalisierten Prozessabläufe lassen sich im Digital Port Twin abbilden und für Optimierungen nutzen.

Mit homePORT haben Sie ein ganzes Areal für Innovative Unternehmen zur Verfügung gestellt. Gibt es hier bereits Synergien, die bei der Digitalisierung des Hafens unterstützen?

homePORT ist ein im Herzen des Hamburger Hafens gelegener Innovationscampus, dessen Ziel es ist, ambitionierten Hafenakteuren, der Wissenschaft sowie behördlichen Institutionen die Möglichkeit zu geben, Produktinnovationen zu entwickeln und real zu testen, um bedeutsame Resultate für die maritime Hafenwirtschaft zu erzielen.

homePORT bietet Testflächen für autonomes Fahren, einen Drohnen-Start- und Landeplatz sowie angegliederte Wassertestflächen für Wasserdrohnen. Hafenakteure haben die Möglichkeit zum Ausprobieren, Experimentieren und Kollaborieren mit weiteren Partnern, um Innovationen für die maritime Wirtschaft und die Logistik voranzubringen – und das zu Wasser, zu Land und in der Luft. Unser Ziel ist, dazu beizutragen, die Effizienz der Hafenflächennutzung intelligent zu erhöhen und schädliche Umwelteinflüsse weiter zu verringern.

Die HPA geht ja bei der Digitalisierung mutig voran. Profitieren eher die anderen Häfen von Ihren Erfahrungen?

Durch unsere Netzwerke im Rahmen der IAPH und chainPORT stehen wir im kontiniuerlichen Austausch mit anderen Häfen. Dies ist zum einen wichtig, um über den Tellerrand zu schauen und voneinander zu lernen, zum anderen ist es elementar sich abzustimmen, denn Insellösungen machen entlang der Lieferkette keinen Sinn. Dabei geht es nicht darum, alle Daten miteinander zu teilen, sondern die relevanten Daten, die die Lieferkette effektiver machen.

Weitere Artikel aus dem Magazin