Leinen Los!

Leinen los!

Der Beruf des Hafenschiffers ist anspruchsvoll, seine Fähigkeiten universell. Bei Barkassen-Meyer an den Landungsbrücken im Hamburger Hafen absolvieren derzeit fünf junge Leute die Ausbildung. Was zu lernen ist, erzählen drei von ihnen.

Wasser ist ihr Element und sie lieben den Hafen. Ousman (23), Rafi (25) und Paul (16) sind drei von fünf Auszubildenden für den Beruf des Hafenschiffers bei Barkassen-Meyer an den Landungsbrücken im Hamburger Hafen. „Ich wollte schon immer auf dem Wasser arbeiten, und ich bin so glücklich, dass ich die Chance bekommen habe, Hafenschiffer zu werden“, erzählt Rafi, der gerade sein erstes Lehrjahr absolviert. Der Beruf sei sehr abwechslungsreich und er liebe den Kontakt mit den Menschen.

Mit Menschen zu tun haben, wollten auch Ousman (3. Lehrjahr) und Paul (1. Lehrjahr). „Es ist spannend, zu erfahren, warum so viele Menschen in Hamburg Urlaub machen und woher sie kommen. Es macht mir aber auch Spaß, ihnen etwas über meine Stadt und den Hafen zu erzählen“, sagt Paul, der erst skeptisch war, ob der Beruf das richtige für ihn sei. Ousman hat in seiner Heimat Gambia in Westafrika als Fischer gearbeitet und es war klar, dass er auch in Hamburg wieder aufs Wasser will. Da er als Flüchtling die Stadt zuerst nicht verlassen durfte, hat er eine Alternative zur Fischerei gesucht.

Der Beruf des Hafenschiffers ist anspruchsvoll. Sobald die Azubis ihre Ausbildung abgeschlossen haben, dürfen sie Schiffe in See- und Binnenhäfen im Personen- und Ladungsverkehr steuern. An Bord gibt es einiges zu tun. Die angehenden Hafenschiffer bedienen nicht nur den Sprechfunk und die Navigationsinstrumente, sondern wie im Fall von Barkassen-Meyer, der im Bereich Touristik tätig ist, auch die Gäste. „Wir müssen die Schiffe in Schuss halten und zu Arbeitsbeginn klar machen“, erzählt Paul. Was zu erledigen ist, merkt er sich mit dem Wort Wolke, das für Wasser, Öl, Luft, Kraftstoff und Elektrizität steht. „Wir lernen, wie Motor und Pumpen funktionieren“, sagt Rafi. Im Zweifelsfall müssen sie kleinere Reparaturen selbst übernehmen können. In der Meyer-eigenen Werkstatt lernen die Azubis die handwerklichen Tätigkeiten. „Wir sind Allrounder und müssen uns auch mal die Hände schmutzig machen“, bestätigt Ousmann. Neben Schiffslack abkratzen und Rost entfernen gehört das An- und Ablegen ebenso zu den Tätigkeiten wie der Ticketverkauf. Auch das Festmachen der Schiffe will gelernt sein. „Wir müssen wissen, wie die Leinen zu führen sind“, ergänzt er.

Die Azubis eignen sich außerdem ein umfangreiches theoretisches Wissen an und besuchen dafür alle zweieinhalb Monate für drei Wochen die Berufsschule. „Wir müssen da sein und mitmachen. Was wir verpassen, holen wir nicht nach“, sagt Paul, es sei richtig viel zu lernen. Jede Theorieeinheit schließt mit einer Klausur. Neben Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz umfassen die Lernfelder ebenso Recht, Englisch und Mathe. Bootsbegriffe, Navigation, Hafengeschichte sowie Gewässerkunde gehören ebenfalls zum Lernstoff. „Wir müssen wie Taxifahrer alle Wasserwege und Kaianlagen mit Namen kennen“, erzählt Ousman. Auch Fahrregeln, Schilderkunde, Lichterführung sowie Kenntnisse über Strömungen, Wind und die Gezeiten lernen die angehenden Hafenschiffer.

„Die Speicherstadt beispielsweise ist aufgrund des Tidenhubs nicht immer befahrbar“, erklärt Rafi. Wie sich bei Havarien oder Betriebsstörungen zu verhalten ist, steht ebenso auf dem Lehrplan. „Schiffsführer haben Verantwortung für bis zu 300 Personen“, sagt Barkassen-Meyer-Inhaber Hubert Neubacher. Die angehenden Hafenschiffer müssen daher auch erste Hilfe leisten und mit einem Feuerlöscher umgehen können sowie einen Rettungsschwimmer und Personenbeförderungsschein vorweisen. Vor Ausbildungsbeginn findet daher ein Gesundheitscheck statt. Die Ausbildung dauert drei Jahre, ein Hauptschulabschluss als Voraussetzung genügt, mittlere Reife ist gewünscht. Dass die drei in Zeiten von Corona einen Ausbildungsplatz bekommen haben, liegt an der Zuversicht ihres Chefs. „Wir brauchen den Nachwuchs dringend auf den Barkassen, Fähren, Fahrgastschiffen und Schleppern. Ich wollte aber auch ein Zeichen setzen, dass wir an die Zukunft glauben“, erzählt Neubacher, dessen zehn Schiffe während der Lockdowns monatelang im Hafen festlagen. „Wir sind stolz und dankbar, dass wir den Beruf erlernen dürfen“, darin sind sich die drei einig. Und Rafi denkt schon an den nächsten Schritt: „Mit einer sehr guten Note in der Abschlussprüfung können wir anschließend Nautik studieren.“

Weitere Artikel aus dem Magazin