„Das Personal muss über Fachwissen verfügen“

„Das Personal muss über Fachwissen verfügen“

Der Hafen ist das nationale Rückgrat für die Wirtschaft in Deutschland, sagt Sönke Fock, Geschäftsführer der Arbeitsagentur Hamburg

POHM: Herr Fock, die Arbeitswelt im Hamburger Hafen hat sich über die Jahre stark gewandelt. Kesselklopfer gibt es längst nicht mehr. Quartiersleute sind heute moderne Hafenlogistiker. Können Sie beschreiben, warum sich die Hafenberufe verändert haben?

Sönke Fock: Hafenberufe sind ebenso der Veränderung unterworfen, wie die Berufewelt insgesamt. Es gibt große Trends, die am Hafen nicht vorbeigegangen sind wie die Globalisierung im Warenverkehr, die Standardisierung durch Containerverkehre oder die Technisierung und Automatisierung. Wir haben noch Bilder von Tagelöhnern und schwer arbeitenden Männern an der Kaikante im Kopf. Die Berufe haben sich rasant verändert. Die Entwicklung der Moderne ist schlicht und ergreifend am Hafen nicht vorbei gegangen.

Sie haben gerade die Stichworte Standardisierung, Technisierung und Automatisierung genannt. Worauf kommt es bei den heutigen Hafenberufen besonders an?

Dadurch, dass die Globalisierung stark Einzug gehalten hat, ist es natürlich wichtig, dass die Häfen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Das Thema Kosten bestimmt in hohem Maße, wer mithalten kann. Daneben kommt es auf die Produktivität und zunehmend auch immer mehr auf qualifiziertes Personal an, das über viel Fachwissen verfügen soll. Zwar arbeiten im Hafen immer noch sehr viele unund angelernte Kräfte, ihr Anteil ist über die Jahre aber deutlich zurückgegangen. Der Trend geht eindeutig hin zu Spezialist:innen oder Expert:innen mit IT-Kompetenz.

Welche Berufe sind mittlerweile im Hafen besonders gefragt?

Es sind Berufe, die auch außerhalb des Hafens häufig zu finden sind. Gefragt sind Programmierer:innen, Softwareentwickler:innen, Fachinformatiker:innen, Elektrotechniker:innen oder Projektmanager:innen, also Qualifikationen, die gar keinen hafentypischen Backround haben. Spezifisch für den Hafen ist allerdings der 24/7-Betrieb, der durch die Schichtarbeit häufig eine ganz andere Flexibilität erfordert sowie ein auf die Bedarfe des Kunden ausgerichteter Personaleinsatz.

Sind Arbeitskräfte dadurch leichter zu finden?

Ich glaube, das hält sich die Waage. Auf der einen Seite gibt es dort Arbeitszeiten, die nicht jeden ansprechen oder manche sogar abschrecken. Umgekehrt ist die Bezahlung gerade auch für un- und angelernte Kräfte sehr gut. Das, was für den einen vielleicht nachteilig wirkt wie Nachtschicht oder Feiertagsarbeit, kann bei dem anderen mit Blick auf die Entlohnung oder freie Zeit zu haben, wenn andere arbeiten müssen, durchaus attraktiv sein. Der Hafen wird immer auch mit einer gewissen Weltoffenheit und Internationalität gleichgesetzt, sicherlich sind sehr viele stolz, in einem der bedeutendsten Häfen der Welt beschäftigt zu sein. Aufgrund der Besonderheit des Arbeitsplatzes, wird der Hafen attraktiv.

Hat das Konsequenzen für Schüler:innen und Studierdende, also die angehenden Nachwuchskräfte?

Nicht automatisch.Ich glaube, generell fehlt den jungen Leuten der Überblick über die Vielzahl der Ausbildungsberufe und Berufsfelder. In ihren Köpfen oder vielmehr in den Köpfen der Eltern ist sicherlich noch ein starkes altes Hafenbild vorhanden, weder standardisiert noch automatisiert. Es gibt aber auch Nachwuchsgenerationen, die sich angesprochen fühlen, weil ihre Familien über Generationen im Hafen gearbeitet haben. Das wird zwar weniger, gibt es aber noch. Es ist jetzt die Aufgabe der Betriebe, Schulen und auch der Berufsberatung, über die vielen unterschiedlichen Ausbildungsberufe im Hafen wie Hafenschiffer:in, Mechatroniker:in,Elektroniker:in, Konstruktionsmechaniker:in oder Kaufleute für das Digitalisierungsmanagement in der Logistik zu informieren und zu vermitteln, dass der Hafen eine Zukunft hat. Denn der Hafen ist das nationale Rückgrat für die Wirtschaft in Deutschland.

Mit welchen Softskills müssen junge Leute heute aufwarten?

Gerade im Hafen ist meiner Ansicht nach ein hohes Maß an Teamfähigkeit erforderlich. Einzelkämpfer: innen sind nicht gefragt, auch wenn Fahrer:innen von Vancarriern in der Kabine zunächst auf sich allein gestellt erscheinen. Das Ganze ist ein hochkomplexes System, das im Sinne einer schnellen und qualifizierten Be- und Entladung funktionieren und den Übergang vom Schiff zum Weitertransport auf Lkw oder Eisenbahn schaffen muss, damit keine Staus entstehen. Pünktlichkeit ist enorm wichtig. Durch die Internationalisierung des Geschäftes ist natürlich auch eine gute Kommunikationsfähigkeit mit den entsprechenden IT-Verfahren erforderlich.

Der Trend geht hin zu
Spezialistinnen und
Spezialisten mit
IT-Kompetenz.

Sönke Fock

Geschäftsführer Arbeitsagentur Hamburg

Wie stellt sich derzeit die Arbeitsmarktlage im Hafen dar?

Das Thema Beschäftigung im Hafen ist stark geprägt von den Auf und Abs der gesamtwirtschaftlichen Situation. Heißt, wenn das Chinageschäft besonders gut läuft, dann sind der Bedarf und die Nachfrage an Beschäftigung höher, denn China ist nach wie vor eines der wichtigsten Partnerländer für den Hamburger Hafen. Das hat sich während der Pandemie deutlich gezeigt. Derlei Ereignisse sind sehr sensibel für Veränderungen im Welthandel, darauf will ich hinaus, und das unterscheidet die Beschäftigtensituation im Hafen von denen anderer Branchen.


Können Sie beziffern, wie viele Menschen im Hafen beschäftigt sind?

Wir greifen hier auf die Zahlen des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH) für sozialversicherungspflichtige Beschäftigtenverhältnisse im vergangenen Jahr zurück. Demnach sind das im engsten Hafenbereich etwa 47.000, für die Metropolregion vervielfacht sich die Zahl schnell auf mehr als 124.000 Arbeitsplätze. Auf ganz Deutschland bezogen ist die mittelbare Beschäftigungswirkung noch viel größer, es heißt, dass der Hamburger Hafen für 600.000 Jobs steht.

In vielen Branchen herrscht Fachkräftemangel, auch im Hamburger Hafen?

Eindeutig, Ja. Es gibt einen ständigen Kräftebedarf. Das hat zum einen ganz klassisch mit Fluktuation, aber auch mit konjunkturellen Schwankungen zu tun. Nehmen wir den Logistikbereich heraus, sehen wir, dass Speditionen Lkw-Fahrer:innen suchen. Die werden aber überall gesucht und somit steht der Hafen im Wettbewerb mit vielen anderen Betrieben.

Wie lässt sich die Situation verbessern?

Das probateste Mittel ist die eigene Nachwuchsqualifizierung. Für die Betriebe von Bedeutung ist aber auch, in welchem Umfang sich einfache Tätigkeiten durch Maschinen automatisieren lassen. Im Burchardkai etwa sind die bereits zitierten Vancarrier noch personengesteuert unterwegs, während in Altenwerder oder Tollerort alles vollautomatisch funktioniert. Will heißen, in bestimmten Bereichen werden Personen nicht mehr gebraucht, dagegen steht die Sorge um deren Weiterbeschäftigung. Kräfte müssen weitergebildet und ihnen alternative Arbeitsplätze angeboten werden. Es muss gelingen, sich den Lernprozessen immer wieder zu unterwerfen, Betriebe müssen die Mitarbeiter:innen in den Veränderungsprozess einbeziehen und deren Ängste abbauen. Das macht den Transformationsprozess der Hafenbetriebe nicht einfach, ich kann aber durchaus erkennen, dass sie sich des Themas deutlich angenommen haben.

Was kann die Arbeitsagentur tun?

In der Zeit der Pandemie haben viele Hafenbetriebe gesehen, wie wichtig es ist, dass wir Beschäftigung durch Kurzarbeit in den Betrieben sicherstellen. Wir unterstützen auch bei den durch die Digitalisierung veränderten Ablaufprozessen in den Unternehmen durch betriebsinterne oder Qualifizierungsangebote von außen. Es gibt seit einiger Zeit das Qualifizierungschancengesetz, das es uns ermöglicht, solche Qualifizierungen für Beschäftigte auch entspechend zu fördern. Das haben wir zwar in der Vergangenheit schon getan, zurzeit ist das aber aktueller und drängender denn je. Der demografischen Wandel wird in den nächsten sieben Jahren über 67.000 Fach- und Führungskräfte aus Hamburger Unternehmen in den Ruhestand entlassen. Natürlich ist auch der Hafen betroffen. Wir ermutigen die Unternehmen außerdem dazu, selbst und zahlreich auszubilden und uns die Ausbildungsstellen auch zu melden. Nur so können wir die Vielfalt des Hafens mit den unterschiedlichsten Ausbildungsmöglichkeiten für jugendliche Bewerber:innen transparent darstellen.

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