Page 7 - Hafen Hamburg | Broschüre | Port of Hamburg Magazine 4.2021
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Die Corona-Pandemie hat die Beschaffung und Lieferketten vieler Unternehmen stark ins Wanken gebracht. Dr. Knut Alicke, Partner bei McKinsey & Company erläutert im Gespräch mit Port of Hamburg Magazine Redakteur Ralf Johanning die Schwächen vieler Hersteller und erklärt, wie man sich besser vor solchen Krisen schützen kann.
POHM: Herr Dr. Alicke, Weihnachten steht kurz vor der Tür. Werden alle Geschenke rechtzeitig eintref- fen?
Dr. Alicke: Das ist schwer zu beantworten. Die Situati- on in den vergangenen Monaten hat aber gezeigt, dass es in vielen Branchen zu enormen Engpässen gekom- men ist. Ob beispielsweise das bestellte neue Auto rechtzeitig vor der Tür steht, ist doch sehr fraglich.
Woran liegt das?
Die Planung vieler Unternehmen hat der seit über ei- nem Jahr andauernden Krise durch die Corona-Pan- demie nicht standgehalten. Viele Lieferketten sind auf Just-in-Time-Verkehre ausgerichtet. Sie erlauben nur kurze Störungen, dann führt es zu Engpässen bei Beschaffung und Produktion. Genau das ist bei vie- len Unternehmen eingetreten.
Wie sieht es denn beim Thema Digitalisierung aus...
...die bleibt Priorität Nummer 1. Die Unternehmen wollen mit moderner Software insbesondere schnel- ler und mehr Szenarien analysieren als zuvor. Zudem soll es damit gelingen, tiefer die mehrstufige Supply Chain analysieren zu können. Wie tief, hängt dabei ganz von der Industrie ab.
Bleibt noch die Regionalisierung als dritter Lö- sungsweg zu mehr Unabhängigkeit von vielschich- tigen Lieferketten, frei nach dem Motto „Back to the roots“.
Interessanterweise stuften viele eine Rückkehr zu den Wurzeln als nicht mehr so wichtig ein. Das wäre auch ei- ne strukturelle Maßnahme, die viel Aufwand bedeuten würde.
Sie haben 71 Unterneh- men in einer Umfrage gleich zweimal befragt, wie sie auf die Krise re- agiert haben und welche Schlüsse sie ziehen und zwar einmal im Mai 2020 und dann wieder im Juni 2021. Was waren denn die zentralen Aussagen bei der ersten Befra- gung?
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Viele der Befragten woll-
ten zu Beginn der Krise
ihre Prozesse beschleu-
nigen und agiler gestal-
ten. Dabei sollte die Di-
gitalisierung eine ent-
scheidende Rolle spie-
len. Darüber hinaus ha-
ben sie darüber nachge-
dacht, die Bestände
wieder aufzubauen und
sich vom Just-in-Time-Prinzip in Teilen zu verab- schieden. Zudem wollten sie verstärkt wieder über eine Regionalisierung der Produktion und auch der Beschaffung nachdenken.
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Im ersten Schritt wird sehr viel telefoniert, da es die vorhandene IT-Infrastruktur nicht zulässt, die Situati- on umfassend zu analysieren. Die Mitarbeiter versu- chen täglich den aktuellen Stand der Lagerbestände und Lieferungen zu erhalten und suchen nach ent- sprechenden Lösungen.
Sind diese War Rooms heute noch aktiv?
Teils, teils, denn während der Pandemie sind noch viele weitere Themen hinzugekommen. Deswegen
Hatte sich das Ergebnis im Jahr darauf verändert?
Im großen Ganzen haben sich die Antworten bestä- tigt und werden teilweise noch intensiver behandelt. Da weiterhin enorme Engpässe bestehen, halten viele Befragte daran fest, ihre Bestände aufbauen zu wollen. Doch in der aktuellen Situation ist das noch gar nicht möglich.
Im ersten Moment habenvieleVerladerrich- tig reagiert und einen ‚War Room‘ aufgebaut. Hier haben sie ermittelt, wo sie aktuell stehen. Dabei gilt es festzustellen, welche Restriktionen es gibt und welche Handlungsoptionen vor- handen sind.
Kommen wir nochmal zurück zum Anfang der Krise. Wie haben die Unternehmen auf die plötzlich auftretenden Probleme reagiert?
Im ersten Moment haben viele Verlader richtig re- agiert und einen „War Room“ aufgebaut. Hier ha- ben sie ermittelt, wo sie ak- tuell stehen. Dabei gilt es festzustellen, welche Rest- riktionen es gibt und wel- che Handlungsoptionen vorhanden sind. Wir haben dann oft bei einer mittelfris- tigen Lösung geholfen. Doch nach vier Wochen ist solch ein Prozess häufig nicht vorbei, daher müss- ten Unternehmen diese Prozesse etablieren.
Wie kann ich mir die Arbeit in einem War Room
vorstellen?
Port of Hamburg Magazine | Dezember 2021 | 07
WELTHANDEL ■































































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