Am Puls der Zeit
Erörtern verschiedene Bildungsangebote (v.l.n.r.): Mathias Schulz, Bereichsleitung Kommunikation bei Hafen Hamburg Marketing e.V., Gerrit Küther, Geschäftsführer bei ma-co, und Thomas Lührs, Projektleiter des Projektes PortSkill 4.0.
© HHM

Am Puls der Zeit

Der Bildungsträger der deutschen Seehäfen, ma-co, bietet umfangreiche Aus- und Weiterbildungen an. Gleichzeitig ist der Blick immer nach vorn gerichtet. Im Interview erläutern maco- Geschäftsführer Gerrit Küther und der Projektleiter PortSkill 4.0, Thomas Lührs, wie Hafen und Schifffahrt auch in Zukunft qualifizierten Nachwuchs gewinnen.

HHM: Herr Küther, Herr Lührs, wie werden die Jobs im Jahr 2030 im Hafen aussehen?

Gerrit Küther: Das können wir noch nicht genau bestimmen. Die Berufe im Hafenumfeld werden sich aber auf jeden Fall verändern, denn mit der Digitalisierung vieler Prozesse und einer zunehmenden Automatisierung vieler Abläufe werden sich neue Aufgaben für das Personal ergeben. Die Anforderungen an die klassische Fachkraft für Hafenlogistik werden sich in den nächsten Jahren stark wandeln. Wir sind gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern dabei, die Jobprofile der Zukunft zu definieren. Dies machen wir im Forschungsprojekt PortSkill 4.0 unter der Federführung des Bundesverkehrsministeriums (BMDV) im Rahmen des Förderprogramms für Innovative Hafentechnologien (IHATEC II).

Thomas Lührs: Wir stellen hierbei den Menschen in den Mittelpunkt und fragen im Rahmen des Projektes, wie wir die Belegschaften so qualifizieren können, dass sie auch in Zukunft noch ihren Job gut ausfüllen können.

Wie kann ich mir das denn konkret vorstellen. Wie identifizieren Sie solch einen Bedarf?

Küther: Es geht nur im engen Austausch mit den Partnerinnen und Partnern, also mit den Unternehmen im Hafen, und damit sind wir bei unserem Projekt PortSkill 4.0. In den vergangenen zwei Jahren haben wir viele Gespräche geführt und die Ergebnisse analysiert. Dabei hat sich gezeigt, dass sich im Hafen viel bewegt. Die digitale Transformation wird in vielen Bereichen umgesetzt. Wir haben für uns erkannt, dass wir jetzt die Zukunftskompetenzen eindeutig identifizieren müssen, um hierfür Trainings und Kurse zu entwickeln.

Was könnten diese Zukunftskompetenzen sein?

Lührs: Hierzu zählen wir nicht nur fachliche oder digitale Fähigkeiten. Es kommen noch weitere Softskills im persönlichen und sozialen Bereich, aber auch gewisse Handlungs- und Methoden-Kompetenzen hinzu. Wir haben insgesamt circa zehn Kompetenzen identifiziert, bei denen es starke Überschneidungen zwischen den verschiedenen Jobprofilen gibt, die wir in den neuen digitalen Welten trainieren wollen.

Was bedeutet das in der Praxis?

Lührs: Es geht darum, Kurse zu entwickeln, in denen diese Kompetenzen mit Simulationen, Leitstandsimulation, Computersimulation in einer virtuellen Welt, wie die eines Fernsteuerstands von Containerbrücken, trainiert werden können. Und das dann auch nicht nur isoliert für ein Jobprofil, sondern in Form vernetzter Trainings. Das heißt, es befinden sich gleich mehrere Jobprofile in einer Trainingssituation. Das könnten beispielsweise Brückenfahrende, Ship-Planende, Prozesssteuernde und weitere Personen aus der Reparatur und Wartung sein. Alle treffen dann auf verschiedene Szenarien mit Problem- und Extremsituationen, die virtuell durchgespielt werden. So lassen sich Softskills wie zum Beispiel Problemlösungsfähigkeit, strukturiertes Vorgehen, Kommunikationsfähigkeit und auch Umsetzungsstärke trainieren.

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Im Maritime Rescue Training Center (MRTC) wird die Rettung aus einem gewasserten Helikopter trainiert.
© ma-co

Wie weit ist ma-co denn in der Umsetzung?

Küther: Wir sind aktuell dabei, unser digitales Testund Trainings-Center aufzubauen. Wir haben hierfür bereits am Container Terminal Altenwerder der HHLA AG entsprechende Räumlichkeiten angemietet. Hier wird es einen neuen ma-co Standort geben, der für alle Unternehmen der Hafenwirtschaft zugänglich ist. Hinzu kommen Außenstellen an den ma-co Standorten in Hamburg und in Bremen. Alle Standorte können dann virtuell vernetzt werden, so dass ein offenes System entsteht.

 

Wer ist alles an diesem Projekt beteiligt?

Lührs: Dieses Projekt ist durch die Sozialpartnerinnen und -partner ver.di und dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e.V. (ZDS) ins Leben gerufen worden. Mit dabei sind auch BLG Logistics in Bremen und die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) in Hamburg als Partner, während wir die Konsortialführerschaft übernommen haben. Küther: Ergänzend möchte ich noch unseren Projektpartner Patient Zero Games erwähnen, der sich intensiv um die technischen Voraussetzungen sowie die IT-Umsetzung kümmert und im Digital Hub Logistics in Hamburg verortet ist.

 

Steht schon ein Termin für die Einweihung fest?

Küther: Noch gibt es keinen konkreten Termin. Wir planen aber im Laufe des Jahres einen Tag der offenen Tür für unser neues Trainingszentrum. Geplant ist die Veranstaltung für Anfang des vierten Quartals 2024.

 

Kommen wir zu Ihrem aktuellen Angebot. Haben sich die Kurse durch die zunehmende Digitalisierung bereits verändert?

Küther: Zu einem großen Teil sind wir noch dabei, sie anzupassen. Wir haben aber viele unserer Angebote bereits während der Pandemie auf E-Learning umgestellt. Heute sind wir so weit, dass wir eine eigene E-Learning-Plattform etabliert haben. Dadurch sind unsere Trainings insbesondere im kaufmännischen Bereich vielseitiger aufgebaut. Es gibt E-Learning- Bausteine und Selbstlernphasen, aber auch wieder Präsenzphasen. Die Grundlagen dafür haben wir damals in dem Projekt „DigiPortskill2025“ vom BMAS / Wandel der Arbeit gelegt.

Lührs: Etwas schwerer ist uns diese Umstellung zu Beginn für unser Programm im gewerblichen Bereich gefallen. Viele Dinge müssen wir hier in praktischen Teilen vor Ort machen. Das Sehen, Fühlen und Ausprobieren ist sehr wichtig. Es gibt aber auch theoretische Phasen, die wir mittlerweile über unsere ELearning- Plattform abbilden können. Aus unseren Erfahrungen heraus sind wir immer dabei, unsere Module anzupassen.

Fordern denn die Unternehmen bereits digitalisierte Angebote?

Küther: Das ist ganz unterschiedlich. Auf der einen Seite haben wir immer noch klassische Schulungen für die Hafenfacharbeiterinnen und -arbeiter. Inhaltlich gibt es hier viele Hands-on-Module. Da geht es dann um die Scheine für Gabel- und Schwerlaststapler oder um klassische Anwendungen rund um die Ladungssicherung. Aber auch Themen wie Erste Hilfe und Brandschutz werden von vielen Firmen nachgefragt. Lührs: Auf der anderen Seite gibt es viele Unternehmen, die sich Gedanken zum Thema Strategieentwicklung und zu Zukunftskompetenzen machen. Hier stellt sich dann die Frage für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie sie effektiver arbeiten können. Da kommen dann wieder die bereits erwähnten Projekte ins Spiel.

 

Wenn ich mich fortbilden möchte, kann ich dann auch als Privatperson zu Ihnen kommen?

Küther: Das kann schon vorkommen. Zu uns kommen auch einige Privatleute aus dem seemännischen Bereich, die ihre Patente auffrischen wollen. Die machen dann häufig Basic-Safety-Trainings. Aber in erster Linie sind es die Betriebe aus dem Logistik- und Hafenbereich, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu uns schicken, um neue Kompetenzen zu erlangen, Dinge aufzufrischen oder neu zu erlernen.

 

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Workshops, Schulungen, Seminare und komplette Aus- und Weiterbildungsangebote. Für viele Bereiche der Logistik vermittelt ma-co fundiertes Fachwissen und praktische Kompetenz.
© ma-co

Gibt es darüber hinaus weitere Partnerinnen und Partner, mit denen Sie zusammenarbeiten?

Küther: Wir haben noch einen weiteren Strang. Als Weiterbildungsträger arbeiten wir sehr eng mit der Agentur für Arbeit und dem team.arbeit.hamburg (Jobcenter HH) zusammen. Hier achten wir seit Jahrzehnten darauf, dass wir Arbeitssuchende qualifizieren, wenn anschließend eine Aussicht auf einen neuen Job besteht. Das heißt, wir schauen bereits im Vorwege, ob es Betriebe gibt, die nach Personal in einem bestimmten Bereich suchen. Gleichzeitig achten wir aber auch darauf, dass die Bewerberinnen und Bewerber entsprechend motiviert sind, eine neue Arbeitsstelle anzutreten.

Lührs: Eine weitere spannende Säule sind unsere Projekte zum Thema Qualifizierung. Hier arbeiten wir eng mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Bereich „Wandel der Arbeit“ zusammen. Darüber hinaus sind wir auch im Programm Sozialpartner-Richtlinie involviert. Hier dreht es sich inhaltlich um das Thema sozialpartnerschaftliche Konstruktion. Somit bearbeiten wir auf der einen Seite Qualifizierungsprojekte und auf der anderen Seite Forschungsprojekte.

Ich möchte noch mal auf den praktischen Ablauf zurückkommen. Muss ich eigentlich als Teilnehmender an den Kursen einen Schulabschluss besitzen?

Küther: Nicht unbedingt. Einer unserer Klassiker im Logistik-Hafen-Bereich ist die Qualifizierung als „Power Logistiker“ für Arbeitssuchende. Da fangen wir bei null an. Hierfür bieten wir dann sogenannte „Auswahlverfahren Bewerbertage“ an. Dabei geht es nicht um die Qualifizierungen, sondern um Softskills wie Motivation und die Lust am Arbeiten. Denn letztendlich werden wir daran gemessen, ob die entsprechende Person dann auch im Job bleibt. Nur bei einer entsprechenden Integrationsquote vertrauen uns Partnerinnen und Partner auch weiterhin.

Lührs: Wir stehen mit vielen Betrieben im engen Austausch. Dabei stellt sich immer wieder heraus, dass viele Betriebe weiterhin Personal suchen. Es bestehen somit gute Chancen für Arbeitssuchende, einen Job zu finden. Insbesondere im konventionellen Bereich und in der Logistik gibt es weiterhin deutlichen Personalbedarf.

Können Sie ungefähr sagen, wie viele Kurse übers Jahr an allen Standorten stattfinden und wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer pro Jahr diese Kurse durchlaufen?

Küther: Das sind etwa 6.000 bis 8.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Jahr über alle Standorte. Wir bieten im Durchschnitt 150 Seminare an, die sich über acht Kompetenzbereiche verteilen. Zusätzlich zeigen wir uns hier auch flexibel, um Kunden Kurse anzubieten, die über diese Bereiche hinausgehen.

Ist ein Einstieg grundsätzlich jederzeit möglich oder gibt es bestimmte Daten, die man im Blick haben muss?

Küther: Das kommt darauf an. Wir haben feste Termine für die von der Agentur für Arbeit oder vom Jobcenter geförderten Kurse. Da gibt es eine feste Taktung. Das gilt auch für unsere Standardkurse. Wenn Firmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch inhouse schulen wollen, sind wir sehr flexibel und kommen in den Betrieb.

Noch eine abschließende Frage. Wenn Sie sich noch mal einen Job im Hafen auswählen dürfte,. welcher wäre das?

Lührs: Das ist schwer zu beantworten. Ich könnte mir aber vorstellen, im Bereich der Terminalentwicklung tätig zu werden.

Und für was würden Sie sich entscheiden, Herr Küther?

Küther: Also ich würde auf jeden Fall probieren, irgendetwas im planerischen und steuernden Bereich machen zu dürfen. Besonders spannend finde ich hier auch den technischen Automatisierungsbereich. Ich hätte gern das Gesamtsystem im Blick.

Über ma-co

Die ma-co maritimes competenzcentrum GmbH ist der Bildungsträger für die deutschen Seehäfen und besteht mit seinen Vorgängerinstitutionen seit knapp 50 Jahren. ma-co wird unter anderem getragen durch die Sozialpartner ver.di und die Arbeitgeberverbände der Häfen. Der Bildungsträger arbeitet mit den großen Einzelbetrieben der Häfen, beispielsweise der HHLA, Eurogate, BLG und mit den Gesamthafenbetriebs-Gesellschaften (GHBs) zusammen. Gleichzeitig bietet ma-co vielen kleineren Betrieben im Hafen- und Logistikbereich ein umfangreiches Programm an Aus- und Weiterbildungen.

Bei ma-co steht die praktische Qualifizierung mit weitreichenden Außenanlagen und Übungsflächen im Mittelpunkt. Das operative Übungsschiff unter der Hamburger Köhlbrandbrücke ist ein Leuchtturm für die praxisnahe Ausbildung im gewerblich-technischen Bereich der deutschen Hafenwirtschaft.

Ursprünglich entstand ma-co durch die Fusion der Hafenfachschulen in Hamburg und Bremen im Zuge des Aufbaus des Jade- Weser-Ports. Zum Start qualifizierte der Bildungsträger für den Containerterminalbetreiber Eurogate WHV eine Mannschaft von 220 arbeitssuchenden Personen zu Fachkräften für die Hafenlogistik. Zu den Kernthemen gehören Aus- und Weiterbildungen im Bereich Hafen, Umschlag und Logistik. In den vergangenen Jahren hat ma-co die Bereiche Maritime-Training und Offshore, und damit verbunden Safety-Security, deutlich weiterentwickelt. 2018 eröffnete der Bildungsträger das Maritime-Rescue-Trainingszentrum (MRTC) mit einem eigenen Trainings-Schwimmbecken in Hamburg. Hier bietet ma-co Maritime-Safety- und Offshore-Trainings an. Ergänzt wird das Angebot des gemeinnützigen Bildungsträgers durch die Fachbereiche Gefahrgut & Zoll, Führung & Kommunikation und IT-Business Training.

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